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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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von nicht minder als dreißig Meilen wohne;
dorthin sich zu flüchten, beschloß er; freilich
war es ein unsinniger Einfall; doch auf un-
sinnigen Einfällen beharrt die Jugend ja grad'
am liebsten. Schon am zweiten Morgen ent-
lief unser Jüngling wirklich; daß sein ganzes
Vermögen nur in ein paar Gulden, und sein
ganzes Fortkommen in seinen Füßen bestehe,
das dünkt ihm eine Kleinigkeit zu seyn; am
dritten Abend, als er ohne einen Pfennig in
der Tasche, ohne einen Bissen Brod für den
Mund, sich auf des Weges Hälfte sah, begrif
er die Wichtigkeit gar wohl. Zwar sah er ein
Dorf und eine feine Schenke vor sich; doch
auch da einzukehren wagt' er nicht, weil der
Schlafgroschen ihm gebrach. Jn dieser Ver-
legenheit sah er an der Thüre einer Mühle
den Müller stehen, grüßt' ihn, und erhielt
einen so freundlichen Gegengrus, daß er plöz-
lich Herz und Zutrauen faßte, hinging, mit
ein paar Worten seine Lage, freilich unter
etwas verschönerten Umständen, entdeckte,

von nicht minder als dreißig Meilen wohne;
dorthin ſich zu fluͤchten, beſchloß er; freilich
war es ein unſinniger Einfall; doch auf un-
ſinnigen Einfaͤllen beharrt die Jugend ja grad'
am liebſten. Schon am zweiten Morgen ent-
lief unſer Juͤngling wirklich; daß ſein ganzes
Vermoͤgen nur in ein paar Gulden, und ſein
ganzes Fortkommen in ſeinen Fuͤßen beſtehe,
das duͤnkt ihm eine Kleinigkeit zu ſeyn; am
dritten Abend, als er ohne einen Pfennig in
der Taſche, ohne einen Biſſen Brod fuͤr den
Mund, ſich auf des Weges Haͤlfte ſah, begrif
er die Wichtigkeit gar wohl. Zwar ſah er ein
Dorf und eine feine Schenke vor ſich; doch
auch da einzukehren wagt' er nicht, weil der
Schlafgroſchen ihm gebrach. Jn dieſer Ver-
legenheit ſah er an der Thuͤre einer Muͤhle
den Muͤller ſtehen, gruͤßt' ihn, und erhielt
einen ſo freundlichen Gegengrus, daß er ploͤz-
lich Herz und Zutrauen faßte, hinging, mit
ein paar Worten ſeine Lage, freilich unter
etwas verſchoͤnerten Umſtaͤnden, entdeckte,

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[411/0419] von nicht minder als dreißig Meilen wohne; dorthin ſich zu fluͤchten, beſchloß er; freilich war es ein unſinniger Einfall; doch auf un- ſinnigen Einfaͤllen beharrt die Jugend ja grad' am liebſten. Schon am zweiten Morgen ent- lief unſer Juͤngling wirklich; daß ſein ganzes Vermoͤgen nur in ein paar Gulden, und ſein ganzes Fortkommen in ſeinen Fuͤßen beſtehe, das duͤnkt ihm eine Kleinigkeit zu ſeyn; am dritten Abend, als er ohne einen Pfennig in der Taſche, ohne einen Biſſen Brod fuͤr den Mund, ſich auf des Weges Haͤlfte ſah, begrif er die Wichtigkeit gar wohl. Zwar ſah er ein Dorf und eine feine Schenke vor ſich; doch auch da einzukehren wagt' er nicht, weil der Schlafgroſchen ihm gebrach. Jn dieſer Ver- legenheit ſah er an der Thuͤre einer Muͤhle den Muͤller ſtehen, gruͤßt' ihn, und erhielt einen ſo freundlichen Gegengrus, daß er ploͤz- lich Herz und Zutrauen faßte, hinging, mit ein paar Worten ſeine Lage, freilich unter etwas verſchoͤnerten Umſtaͤnden, entdeckte,

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/419>, abgerufen am 26.11.2024.