Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

bald bis zur höchsten Erbitterung fortgeschrit-
ten wäre. Wie der Zank im vollsten Gange
gewesen, hab' er sich fortgeschlichen, und draus-
sen in einem Winkel der Straße aufgepaßt.
Bald drauf sei sein Feind bei ihm vorbeige-
wankt; von niemanden bemerkt, sei er ihm
uachgeschlichen; habe den tödtlichen Streich
gegen ihn geführt, und zwar so gut getroffen,
daß jener Unglückliche sogleich, entseelt, ohne
Schrei und Laut hingesunken sei. Gleich nach-
her wäre auch derZweite sinnlos getaumelt her-
gekommen; über den Leichnam gestrauchelt,
und -- das Rückständige weiß man schon.
Alles habe er nachher seinen ordentlichen Lauf
nehmen lassen. Auf ihn sei auch nicht der ent-
fernteste Verdacht gekommen. Doch da er
jezt, durch ein Ohngefähr, ausersehen wor-
den, auf eben denjenigen zu feuern, den er
einzig und allein ins Unglück gestürzt, da ha-
be ihn die gedultige Ergebung dieses Armen,
der sich selbst für schuldig gehalten, unbe-

E 4

bald bis zur hoͤchſten Erbitterung fortgeſchrit-
ten waͤre. Wie der Zank im vollſten Gange
geweſen, hab' er ſich fortgeſchlichen, und drauſ-
ſen in einem Winkel der Straße aufgepaßt.
Bald drauf ſei ſein Feind bei ihm vorbeige-
wankt; von niemanden bemerkt, ſei er ihm
uachgeſchlichen; habe den toͤdtlichen Streich
gegen ihn gefuͤhrt, und zwar ſo gut getroffen,
daß jener Ungluͤckliche ſogleich, entſeelt, ohne
Schrei und Laut hingeſunken ſei. Gleich nach-
her waͤre auch derZweite ſinnlos getaumelt her-
gekommen; uͤber den Leichnam geſtrauchelt,
und — das Ruͤckſtaͤndige weiß man ſchon.
Alles habe er nachher ſeinen ordentlichen Lauf
nehmen laſſen. Auf ihn ſei auch nicht der ent-
fernteſte Verdacht gekommen. Doch da er
jezt, durch ein Ohngefaͤhr, auserſehen wor-
den, auf eben denjenigen zu feuern, den er
einzig und allein ins Ungluͤck geſtuͤrzt, da ha-
be ihn die gedultige Ergebung dieſes Armen,
der ſich ſelbſt fuͤr ſchuldig gehalten, unbe-

E 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0079" n="71"/>
bald bis zur ho&#x0364;ch&#x017F;ten Erbitterung fortge&#x017F;chrit-<lb/>
ten wa&#x0364;re. Wie der Zank im voll&#x017F;ten Gange<lb/>
gewe&#x017F;en, hab' er &#x017F;ich fortge&#x017F;chlichen, und drau&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en in einem Winkel der Straße aufgepaßt.<lb/>
Bald drauf &#x017F;ei &#x017F;ein Feind bei ihm vorbeige-<lb/>
wankt; von niemanden bemerkt, &#x017F;ei er ihm<lb/>
uachge&#x017F;chlichen; habe den to&#x0364;dtlichen Streich<lb/>
gegen ihn gefu&#x0364;hrt, und zwar &#x017F;o gut getroffen,<lb/>
daß jener Unglu&#x0364;ckliche &#x017F;ogleich, ent&#x017F;eelt, ohne<lb/>
Schrei und Laut hinge&#x017F;unken &#x017F;ei. Gleich nach-<lb/>
her wa&#x0364;re auch derZweite &#x017F;innlos getaumelt her-<lb/>
gekommen; u&#x0364;ber den Leichnam ge&#x017F;trauchelt,<lb/>
und &#x2014; das Ru&#x0364;ck&#x017F;ta&#x0364;ndige weiß man &#x017F;chon.<lb/>
Alles habe er nachher &#x017F;einen ordentlichen Lauf<lb/>
nehmen la&#x017F;&#x017F;en. Auf ihn &#x017F;ei auch nicht der ent-<lb/>
fernte&#x017F;te Verdacht gekommen. Doch da er<lb/>
jezt, durch ein Ohngefa&#x0364;hr, auser&#x017F;ehen wor-<lb/>
den, auf eben denjenigen zu feuern, den er<lb/>
einzig und allein ins Unglu&#x0364;ck ge&#x017F;tu&#x0364;rzt, da ha-<lb/>
be ihn die gedultige Ergebung die&#x017F;es Armen,<lb/>
der &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t fu&#x0364;r &#x017F;chuldig gehalten, unbe-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 4</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0079] bald bis zur hoͤchſten Erbitterung fortgeſchrit- ten waͤre. Wie der Zank im vollſten Gange geweſen, hab' er ſich fortgeſchlichen, und drauſ- ſen in einem Winkel der Straße aufgepaßt. Bald drauf ſei ſein Feind bei ihm vorbeige- wankt; von niemanden bemerkt, ſei er ihm uachgeſchlichen; habe den toͤdtlichen Streich gegen ihn gefuͤhrt, und zwar ſo gut getroffen, daß jener Ungluͤckliche ſogleich, entſeelt, ohne Schrei und Laut hingeſunken ſei. Gleich nach- her waͤre auch derZweite ſinnlos getaumelt her- gekommen; uͤber den Leichnam geſtrauchelt, und — das Ruͤckſtaͤndige weiß man ſchon. Alles habe er nachher ſeinen ordentlichen Lauf nehmen laſſen. Auf ihn ſei auch nicht der ent- fernteſte Verdacht gekommen. Doch da er jezt, durch ein Ohngefaͤhr, auserſehen wor- den, auf eben denjenigen zu feuern, den er einzig und allein ins Ungluͤck geſtuͤrzt, da ha- be ihn die gedultige Ergebung dieſes Armen, der ſich ſelbſt fuͤr ſchuldig gehalten, unbe- E 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/79
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/79>, abgerufen am 23.11.2024.