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Meißner, Alfred: Die Prinzessin von Portugal. Breslau u. a., 1882.

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Auch für seinen jugendlichen Neffen wurde gesorgt, indem man ihn bei der königlichen Familie als Pagen anstellte.

Arbogast war ein wunderschöner, bereits zum Jüngling heranreifender Knabe, dem blondes Haar bis auf den Rücken hernieder wallte. Er war für sein Alter sehr groß; sein ganzer Gliederbau versprach sich zu der stattlichen Höhe, die sein Oheim hatte, zu entwickeln. Sein Gesicht, ganz Milch und Blut, hatte den Ausdruck eines mit der lieblichsten Milde gepaarten Ernstes, und die seelenvollen blauen Augen verriethen ein Wesen voll argloser Unschuld, das betrogen werden, aber nicht selbst betrügen kann. Er war auch bald ein Liebling des ganzen Hofes geworden.

Der König hatte ein Töchterchen, Dona Diafanta mit Namen, nur ein wenig jünger als der Page, von einem früh entwickelten feurigen Geiste und einer seltenen Schönheit, die sich jeden Tag zu vervollkommnen schien. Sie hatte eine besondere Vorliebe für Arbogast und behandelte ihn mit einer Vertraulichkeit, wie sie zwischen Bruder und Schwester besteht. Wenn die Prinzessin in der Morgenfrühe ihr Roß besteigen sollte, stand Arbogast

Auch für seinen jugendlichen Neffen wurde gesorgt, indem man ihn bei der königlichen Familie als Pagen anstellte.

Arbogast war ein wunderschöner, bereits zum Jüngling heranreifender Knabe, dem blondes Haar bis auf den Rücken hernieder wallte. Er war für sein Alter sehr groß; sein ganzer Gliederbau versprach sich zu der stattlichen Höhe, die sein Oheim hatte, zu entwickeln. Sein Gesicht, ganz Milch und Blut, hatte den Ausdruck eines mit der lieblichsten Milde gepaarten Ernstes, und die seelenvollen blauen Augen verriethen ein Wesen voll argloser Unschuld, das betrogen werden, aber nicht selbst betrügen kann. Er war auch bald ein Liebling des ganzen Hofes geworden.

Der König hatte ein Töchterchen, Dona Diafanta mit Namen, nur ein wenig jünger als der Page, von einem früh entwickelten feurigen Geiste und einer seltenen Schönheit, die sich jeden Tag zu vervollkommnen schien. Sie hatte eine besondere Vorliebe für Arbogast und behandelte ihn mit einer Vertraulichkeit, wie sie zwischen Bruder und Schwester besteht. Wenn die Prinzessin in der Morgenfrühe ihr Roß besteigen sollte, stand Arbogast

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[13/0021] Auch für seinen jugendlichen Neffen wurde gesorgt, indem man ihn bei der königlichen Familie als Pagen anstellte. Arbogast war ein wunderschöner, bereits zum Jüngling heranreifender Knabe, dem blondes Haar bis auf den Rücken hernieder wallte. Er war für sein Alter sehr groß; sein ganzer Gliederbau versprach sich zu der stattlichen Höhe, die sein Oheim hatte, zu entwickeln. Sein Gesicht, ganz Milch und Blut, hatte den Ausdruck eines mit der lieblichsten Milde gepaarten Ernstes, und die seelenvollen blauen Augen verriethen ein Wesen voll argloser Unschuld, das betrogen werden, aber nicht selbst betrügen kann. Er war auch bald ein Liebling des ganzen Hofes geworden. Der König hatte ein Töchterchen, Dona Diafanta mit Namen, nur ein wenig jünger als der Page, von einem früh entwickelten feurigen Geiste und einer seltenen Schönheit, die sich jeden Tag zu vervollkommnen schien. Sie hatte eine besondere Vorliebe für Arbogast und behandelte ihn mit einer Vertraulichkeit, wie sie zwischen Bruder und Schwester besteht. Wenn die Prinzessin in der Morgenfrühe ihr Roß besteigen sollte, stand Arbogast

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Zitationshilfe: Meißner, Alfred: Die Prinzessin von Portugal. Breslau u. a., 1882, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_prinzessin_1882/21>, abgerufen am 29.04.2024.