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Meißner, Alfred: Die Prinzessin von Portugal. Breslau u. a., 1882.

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wenn er nicht aus Rücksicht auf Deinen Oheim dazu verpflichtet wäre."

"O, frommer Bruder, daran denke ich nicht," sagte Arbogast mit einem tiefen Seufzer.

"Sprich, sprich!" drang der Mönch in ihn. "Schweigen erdrückt, das offene Geständniß erleichtert die Seele. Ist es nicht mein heiliges Amt, Leidtragende zu trösten, die Irrenden auf den rechten Weg zu bringen und den Verzweifelnden den Himmel zu öffnen?"

"Seit ich Dich zum ersten Male erblickt," erwiderte Arbogast, "habe ich schon das größte Vertrauen zu Dir gefaßt. Es hat sich inzwischen erhöht, nicht vermindert. Längst hätte ich Dir mein Herz geöffnet; aber ich weiß selbst nicht, warum sich mein Mund nicht öffnen will."

"Ich sehe, wie es um Dich steht," sprach der greise Mönch. "Ein ungeheures Herzeleid macht stumm. Ueberdies bist Du noch ein junges Blut und brauchst den Rath der Alten. Schweige nicht länger! Ich will Dir rathen, Dir helfen und, was Du mir auch anvertrauest, getreulich in meine Brust verschließen."

Da sagte Arbogast nach einem sichtlichen Kampf

wenn er nicht aus Rücksicht auf Deinen Oheim dazu verpflichtet wäre.“

„O, frommer Bruder, daran denke ich nicht,“ sagte Arbogast mit einem tiefen Seufzer.

„Sprich, sprich!“ drang der Mönch in ihn. „Schweigen erdrückt, das offene Geständniß erleichtert die Seele. Ist es nicht mein heiliges Amt, Leidtragende zu trösten, die Irrenden auf den rechten Weg zu bringen und den Verzweifelnden den Himmel zu öffnen?“

„Seit ich Dich zum ersten Male erblickt,“ erwiderte Arbogast, „habe ich schon das größte Vertrauen zu Dir gefaßt. Es hat sich inzwischen erhöht, nicht vermindert. Längst hätte ich Dir mein Herz geöffnet; aber ich weiß selbst nicht, warum sich mein Mund nicht öffnen will.“

„Ich sehe, wie es um Dich steht,“ sprach der greise Mönch. „Ein ungeheures Herzeleid macht stumm. Ueberdies bist Du noch ein junges Blut und brauchst den Rath der Alten. Schweige nicht länger! Ich will Dir rathen, Dir helfen und, was Du mir auch anvertrauest, getreulich in meine Brust verschließen.“

Da sagte Arbogast nach einem sichtlichen Kampf

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[35/0043] wenn er nicht aus Rücksicht auf Deinen Oheim dazu verpflichtet wäre.“ „O, frommer Bruder, daran denke ich nicht,“ sagte Arbogast mit einem tiefen Seufzer. „Sprich, sprich!“ drang der Mönch in ihn. „Schweigen erdrückt, das offene Geständniß erleichtert die Seele. Ist es nicht mein heiliges Amt, Leidtragende zu trösten, die Irrenden auf den rechten Weg zu bringen und den Verzweifelnden den Himmel zu öffnen?“ „Seit ich Dich zum ersten Male erblickt,“ erwiderte Arbogast, „habe ich schon das größte Vertrauen zu Dir gefaßt. Es hat sich inzwischen erhöht, nicht vermindert. Längst hätte ich Dir mein Herz geöffnet; aber ich weiß selbst nicht, warum sich mein Mund nicht öffnen will.“ „Ich sehe, wie es um Dich steht,“ sprach der greise Mönch. „Ein ungeheures Herzeleid macht stumm. Ueberdies bist Du noch ein junges Blut und brauchst den Rath der Alten. Schweige nicht länger! Ich will Dir rathen, Dir helfen und, was Du mir auch anvertrauest, getreulich in meine Brust verschließen.“ Da sagte Arbogast nach einem sichtlichen Kampf

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Zitationshilfe: Meißner, Alfred: Die Prinzessin von Portugal. Breslau u. a., 1882, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_prinzessin_1882/43>, abgerufen am 29.04.2024.