trages, besitzet, muß ihr einen Theil davon, in so weit es sich selbst angehet, abgetreten, und überlassen haben. Wie aber? Wenn niemand ein solches Recht besitzen kann? Wenn weder dem Staate, noch der Mutterkirche selbst irgend ein Zwangsrecht in Religionssachen zukäme? Wenn nach den Grundsätzen der gesunden Ver- nunft, deren Göttlichkeit wir alle anerkennen müssen, weder Staat noch Kirche befugt wäre, sich in Glaubenssachen ein anderes Recht anzu- maßen, als das Recht zu belehren; eine andere Macht, als die Macht der Ueberführung, eine andere Zucht, als die Zucht durch Vernunft und Grundsätze? Kann dieses erweislich, und dem gesunden Menschenverstande einleuchtend ge- macht werden; so ist kein ausdrücklicher Ver- trag, noch vielweniger Herkommen und Verjäh- rung mächtig genug, ein Recht geltend zu ma- chen, das ihm entgegengesetzt ist; so ist aller kirchliche Zwang widerrechtlich, alle äußere Macht in Religionssachen gewaltsame Anmas- sung, und wenn dieses ist; so darf, so kann die Mutterkirche kein Recht verleihen, das ihr selber nicht zukömmt, keine Macht vergeben, die sie
sich
trages, beſitzet, muß ihr einen Theil davon, in ſo weit es ſich ſelbſt angehet, abgetreten, und uͤberlaſſen haben. Wie aber? Wenn niemand ein ſolches Recht beſitzen kann? Wenn weder dem Staate, noch der Mutterkirche ſelbſt irgend ein Zwangsrecht in Religionsſachen zukaͤme? Wenn nach den Grundſaͤtzen der geſunden Ver- nunft, deren Goͤttlichkeit wir alle anerkennen muͤſſen, weder Staat noch Kirche befugt waͤre, ſich in Glaubensſachen ein anderes Recht anzu- maßen, als das Recht zu belehren; eine andere Macht, als die Macht der Ueberfuͤhrung, eine andere Zucht, als die Zucht durch Vernunft und Grundſaͤtze? Kann dieſes erweislich, und dem geſunden Menſchenverſtande einleuchtend ge- macht werden; ſo iſt kein ausdruͤcklicher Ver- trag, noch vielweniger Herkommen und Verjaͤh- rung maͤchtig genug, ein Recht geltend zu ma- chen, das ihm entgegengeſetzt iſt; ſo iſt aller kirchliche Zwang widerrechtlich, alle aͤußere Macht in Religionsſachen gewaltſame Anmaſ- ſung, und wenn dieſes iſt; ſo darf, ſo kann die Mutterkirche kein Recht verleihen, das ihr ſelber nicht zukoͤmmt, keine Macht vergeben, die ſie
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trages, beſitzet, muß ihr einen Theil davon, in
ſo weit es ſich ſelbſt angehet, abgetreten, und
uͤberlaſſen haben. Wie aber? Wenn niemand
ein ſolches Recht beſitzen kann? Wenn weder
dem Staate, noch der Mutterkirche ſelbſt irgend
ein Zwangsrecht in Religionsſachen zukaͤme?
Wenn nach den Grundſaͤtzen der geſunden Ver-
nunft, deren Goͤttlichkeit wir alle anerkennen
muͤſſen, weder Staat noch Kirche befugt waͤre,
ſich in Glaubensſachen ein anderes Recht anzu-
maßen, als das Recht zu belehren; eine andere
Macht, als die Macht der Ueberfuͤhrung, eine
andere Zucht, als die Zucht durch Vernunft und
Grundſaͤtze? Kann dieſes erweislich, und dem
geſunden Menſchenverſtande einleuchtend ge-
macht werden; ſo iſt kein ausdruͤcklicher Ver-
trag, noch vielweniger Herkommen und Verjaͤh-
rung maͤchtig genug, ein Recht geltend zu ma-
chen, das ihm entgegengeſetzt iſt; ſo iſt aller
kirchliche Zwang widerrechtlich, alle aͤußere
Macht in Religionsſachen gewaltſame Anmaſ-
ſung, und wenn dieſes iſt; ſo darf, ſo kann die
Mutterkirche kein Recht verleihen, das ihr ſelber
nicht zukoͤmmt, keine Macht vergeben, die ſie
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/106>, abgerufen am 20.07.2024.
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