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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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umschränkten Willen regiert, und die geheimsten
Gedanken der Menschen durchschauet, um ihre
Handlungen, wo nicht hier, doch in jener Zu-
kunft, nach Verdienst zu belohnen? -- Wer
dieses nicht wußte, wer von diesen zur menschli-
chen Glückseligkeit unentbehrlichen Wahrheiten
nicht durchdrungen, und so vorbereitet zum hei-
ligen Berge hintrat, den konnten die großen
wundervollen Anstalten betäuben, und nieder-
schlagen, aber nicht eines bessern belehren. --
Nein! alles dieses ward vorausgesetzt, ward
vielleicht in den Vorbereitungstagen gelehrt, er-
örtert und durch menschliche Gründe ausser Zwei-
fel gesetzt, und nun rief die göttliche Stimme:
"Ich bin der ewige, dein Gott! der dich
"aus dem Lande Mizraim geführt, aus der
"Sklaverey befreiet hat u. s. w."
Eine Ge-
schichtswahrheit, auf die sich die Gesetzgebung
dieses Volks gründen sollte, und Gesetze sollten
hier geoffenbaret werden; Gebote, Verord-
nungen, keine ewige Religionswahrheiten. "Ich
"bin der Ewige, dein Gott, der mit deinen Vä-
"tern Abraham, Isaak und Jakob einen Bund
"gemacht, und ihnen zugeschworen hat, aus

"ihrem

umſchraͤnkten Willen regiert, und die geheimſten
Gedanken der Menſchen durchſchauet, um ihre
Handlungen, wo nicht hier, doch in jener Zu-
kunft, nach Verdienſt zu belohnen? — Wer
dieſes nicht wußte, wer von dieſen zur menſchli-
chen Gluͤckſeligkeit unentbehrlichen Wahrheiten
nicht durchdrungen, und ſo vorbereitet zum hei-
ligen Berge hintrat, den konnten die großen
wundervollen Anſtalten betaͤuben, und nieder-
ſchlagen, aber nicht eines beſſern belehren. —
Nein! alles dieſes ward vorausgeſetzt, ward
vielleicht in den Vorbereitungstagen gelehrt, er-
oͤrtert und durch menſchliche Gruͤnde auſſer Zwei-
fel geſetzt, und nun rief die goͤttliche Stimme:
„Ich bin der ewige, dein Gott! der dich
„aus dem Lande Mizraim gefuͤhrt, aus der
„Sklaverey befreiet hat u. ſ. w.“
Eine Ge-
ſchichtswahrheit, auf die ſich die Geſetzgebung
dieſes Volks gruͤnden ſollte, und Geſetze ſollten
hier geoffenbaret werden; Gebote, Verord-
nungen, keine ewige Religionswahrheiten. „Ich
„bin der Ewige, dein Gott, der mit deinen Vaͤ-
„tern Abraham, Iſaak und Jakob einen Bund
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[50/0152] umſchraͤnkten Willen regiert, und die geheimſten Gedanken der Menſchen durchſchauet, um ihre Handlungen, wo nicht hier, doch in jener Zu- kunft, nach Verdienſt zu belohnen? — Wer dieſes nicht wußte, wer von dieſen zur menſchli- chen Gluͤckſeligkeit unentbehrlichen Wahrheiten nicht durchdrungen, und ſo vorbereitet zum hei- ligen Berge hintrat, den konnten die großen wundervollen Anſtalten betaͤuben, und nieder- ſchlagen, aber nicht eines beſſern belehren. — Nein! alles dieſes ward vorausgeſetzt, ward vielleicht in den Vorbereitungstagen gelehrt, er- oͤrtert und durch menſchliche Gruͤnde auſſer Zwei- fel geſetzt, und nun rief die goͤttliche Stimme: „Ich bin der ewige, dein Gott! der dich „aus dem Lande Mizraim gefuͤhrt, aus der „Sklaverey befreiet hat u. ſ. w.“ Eine Ge- ſchichtswahrheit, auf die ſich die Geſetzgebung dieſes Volks gruͤnden ſollte, und Geſetze ſollten hier geoffenbaret werden; Gebote, Verord- nungen, keine ewige Religionswahrheiten. „Ich „bin der Ewige, dein Gott, der mit deinen Vaͤ- „tern Abraham, Iſaak und Jakob einen Bund „gemacht, und ihnen zugeſchworen hat, aus „ihrem

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/152>, abgerufen am 24.11.2024.