den Wissenschaften von großer Wichtigkeit. Der erste, der das Wort Natur erfunden, scheinet eben keine große Entdekkung gemacht zu haben. Gleichwohl hatten es seine Zeitgenossen ihm zu verdanken, daß sie den Gaukler, der sie eine Er- scheinung in der Luft sehen lies, beschämen, und sagen konnten, sein Spiel sey nichts Uebernatür- liches; sondern eine Wirkung der Natur. Ge- setzt, sie wußten noch nichts Deutliches von den Eigenschaften gebrochener Strahlen, und wie durch dieselben ein Bild in der Luft hervorge- bracht werden könne, -- und wie weit reichet denn noch itzt unsere Erkenntnis hierin? Kaum um einen Schritt weiter; denn von der Natur des Lichts selbst und von seinen innern Bestandthei- len sind wir noch wenig unterrichtet; -- so muß- ten sie doch wenigstens eine einzelne Erscheinung auf ein allgemeines Naturgesetz zurück zubringen, und waren nicht genöthiget, jedem Spiele eine be- sondere, freywillige Ursache zuzuschreiben. So war es auch mit der neueren Entdeckung daß die Luft eine Schwere habe. Wissen wir schon nicht die Schwere selbst zu erklären, so sind wir doch wenigstens im Stande, die Beobachtung, daß
die
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den Wiſſenſchaften von großer Wichtigkeit. Der erſte, der das Wort Natur erfunden, ſcheinet eben keine große Entdekkung gemacht zu haben. Gleichwohl hatten es ſeine Zeitgenoſſen ihm zu verdanken, daß ſie den Gaukler, der ſie eine Er- ſcheinung in der Luft ſehen lies, beſchaͤmen, und ſagen konnten, ſein Spiel ſey nichts Uebernatuͤr- liches; ſondern eine Wirkung der Natur. Ge- ſetzt, ſie wußten noch nichts Deutliches von den Eigenſchaften gebrochener Strahlen, und wie durch dieſelben ein Bild in der Luft hervorge- bracht werden koͤnne, — und wie weit reichet denn noch itzt unſere Erkenntnis hierin? Kaum um einen Schritt weiter; denn von der Natur des Lichts ſelbſt und von ſeinen innern Beſtandthei- len ſind wir noch wenig unterrichtet; — ſo muß- ten ſie doch wenigſtens eine einzelne Erſcheinung auf ein allgemeines Naturgeſetz zuruͤck zubringen, und waren nicht genoͤthiget, jedem Spiele eine be- ſondere, freywillige Urſache zuzuſchreiben. So war es auch mit der neueren Entdeckung daß die Luft eine Schwere habe. Wiſſen wir ſchon nicht die Schwere ſelbſt zu erklaͤren, ſo ſind wir doch wenigſtens im Stande, die Beobachtung, daß
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den Wiſſenſchaften von großer Wichtigkeit. Der
erſte, der das Wort Natur erfunden, ſcheinet
eben keine große Entdekkung gemacht zu haben.
Gleichwohl hatten es ſeine Zeitgenoſſen ihm zu
verdanken, daß ſie den Gaukler, der ſie eine Er-
ſcheinung in der Luft ſehen lies, beſchaͤmen, und
ſagen konnten, ſein Spiel ſey nichts Uebernatuͤr-
liches; ſondern eine Wirkung der Natur. Ge-
ſetzt, ſie wußten noch nichts Deutliches von den
Eigenſchaften gebrochener Strahlen, und wie
durch dieſelben ein Bild in der Luft hervorge-
bracht werden koͤnne, — und wie weit reichet denn
noch itzt unſere Erkenntnis hierin? Kaum um
einen Schritt weiter; denn von der Natur des
Lichts ſelbſt und von ſeinen innern Beſtandthei-
len ſind wir noch wenig unterrichtet; — ſo muß-
ten ſie doch wenigſtens eine einzelne Erſcheinung
auf ein allgemeines Naturgeſetz zuruͤck zubringen,
und waren nicht genoͤthiget, jedem Spiele eine be-
ſondere, freywillige Urſache zuzuſchreiben. So war
es auch mit der neueren Entdeckung daß die Luft
eine Schwere habe. Wiſſen wir ſchon nicht die
Schwere ſelbſt zu erklaͤren, ſo ſind wir doch
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/169>, abgerufen am 16.02.2025.
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