liche Verbindung treten. Ist aber dieses, und der Staat, als Staat, will sich blos mit dem Zeitlichen abgeben; so entstehet die Frage: wem sollen wir die Sorge für das Ewige antrauen? -- Der Kirche? Nun sind wir auf einmal wie- der da, wo wir ausgegangen waren. Staat und Kirche. -- Sorge für das Zeitliche und Sorge für das Ewige -- bürgerliche und kirchli- che Autorität. Jene verhält sich zu dieser, wie die Wichtigkeit des Zeitlichen zur Wichtigkeit des Ewigen. Der Staat ist also der Religion untergeordnet; muß weichen, wenn eine Collision entstehet. Nun widerstehe, wer da kann, dem Cardinal Bellarmin, mit dem fürchterlichen Ge- folge seiner Argumente, daß das Oberhaupt der Kirche, zum Behuf des Ewigen, über alles Zeit- liche zu befehlen, und also wenigstens indirecte *) ein Hoheitsrecht habe, über alle Güter und Ge- müther der Welt; daß alle weltliche Reiche in-
directe
*) Bellarmin selbst ward beinahe von dem Pabste Sixtus V verketzert, weil er ihm blos eine in- directe Macht über das Zeitliche der Könige und Fürsten zuschrieb. Sein Werk ward in das Ver- zeichnis der Inquisition gesetzt.
liche Verbindung treten. Iſt aber dieſes, und der Staat, als Staat, will ſich blos mit dem Zeitlichen abgeben; ſo entſtehet die Frage: wem ſollen wir die Sorge fuͤr das Ewige antrauen? — Der Kirche? Nun ſind wir auf einmal wie- der da, wo wir ausgegangen waren. Staat und Kirche. — Sorge fuͤr das Zeitliche und Sorge fuͤr das Ewige — buͤrgerliche und kirchli- che Autoritaͤt. Jene verhaͤlt ſich zu dieſer, wie die Wichtigkeit des Zeitlichen zur Wichtigkeit des Ewigen. Der Staat iſt alſo der Religion untergeordnet; muß weichen, wenn eine Colliſion entſtehet. Nun widerſtehe, wer da kann, dem Cardinal Bellarmin, mit dem fuͤrchterlichen Ge- folge ſeiner Argumente, daß das Oberhaupt der Kirche, zum Behuf des Ewigen, uͤber alles Zeit- liche zu befehlen, und alſo wenigſtens indirecte *) ein Hoheitsrecht habe, uͤber alle Guͤter und Ge- muͤther der Welt; daß alle weltliche Reiche in-
directe
*) Bellarmin ſelbſt ward beinahe von dem Pabſte Sixtus V verketzert, weil er ihm blos eine in- directe Macht uͤber das Zeitliche der Koͤnige und Fuͤrſten zuſchrieb. Sein Werk ward in das Ver- zeichnis der Inquiſition geſetzt.
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liche Verbindung treten. Iſt aber dieſes, und
der Staat, als Staat, will ſich blos mit dem
Zeitlichen abgeben; ſo entſtehet die Frage: wem
ſollen wir die Sorge fuͤr das Ewige antrauen?
— Der Kirche? Nun ſind wir auf einmal wie-
der da, wo wir ausgegangen waren. Staat
und Kirche. — Sorge fuͤr das Zeitliche und
Sorge fuͤr das Ewige — buͤrgerliche und kirchli-
che Autoritaͤt. Jene verhaͤlt ſich zu dieſer, wie
die Wichtigkeit des Zeitlichen zur Wichtigkeit
des Ewigen. Der Staat iſt alſo der Religion
untergeordnet; muß weichen, wenn eine Colliſion
entſtehet. Nun widerſtehe, wer da kann, dem
Cardinal Bellarmin, mit dem fuͤrchterlichen Ge-
folge ſeiner Argumente, daß das Oberhaupt der
Kirche, zum Behuf des Ewigen, uͤber alles Zeit-
liche zu befehlen, und alſo wenigſtens indirecte *)
ein Hoheitsrecht habe, uͤber alle Guͤter und Ge-
muͤther der Welt; daß alle weltliche Reiche in-
directe
*) Bellarmin ſelbſt ward beinahe von dem Pabſte
Sixtus V verketzert, weil er ihm blos eine in-
directe Macht uͤber das Zeitliche der Koͤnige und
Fuͤrſten zuſchrieb. Sein Werk ward in das Ver-
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/20>, abgerufen am 16.07.2024.
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