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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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weit war das Heidentum von dieser Verfeine-
rung entfernt! Ihr findet in ihrer ganzen Göt-
terlehre, in allen Gedichten und andern Ueber-
bleibseln der frühern Zeit keine Spur, daß sie
irgend einer ihrer Gottheiten auch Liebe und
Barmherzigkeit gegen die Menschenkinder zuge-
schrieben hätten. "Sowohl das Volk," sagt
Herr Meiners *) von dem weisesten Staate
der Griechen, "sowohl das Volk, als der größte
"Theil seiner tapfersten Heerführer und weise-
"sten Staatsmänner, hielten die Götter, die sie
"anbeteten, zwar für Wesen, die mächtiger als
"Menschen wären, die aber mit ihnen einerley
"bedürfnisse, Leidenschaften, Schwachheiten
"und sogar Laster hätten. -- Alle Götter schie-
"nen den Atheniensern, so wie den übrigen
"Griechen, so bösartig, daß sie sich einbildeten:
"ein ausserordentliches oder langedaurendes
"Glück ziehe den Zorn und die Mißgunst der
"Götter auf sich, und werde durch ihre Veran-
"staltungen übern Haufen geworfen. Sie dach-
"ten sich ferner eben diese Götter so reitzbar,

daß
*) Geschichte der Wissenschaften in Griechenland
und Rom. Zweiter Band. S. 77.
G 3

weit war das Heidentum von dieſer Verfeine-
rung entfernt! Ihr findet in ihrer ganzen Goͤt-
terlehre, in allen Gedichten und andern Ueber-
bleibſeln der fruͤhern Zeit keine Spur, daß ſie
irgend einer ihrer Gottheiten auch Liebe und
Barmherzigkeit gegen die Menſchenkinder zuge-
ſchrieben haͤtten. „Sowohl das Volk,“ ſagt
Herr Meiners *) von dem weiſeſten Staate
der Griechen, „ſowohl das Volk, als der groͤßte
„Theil ſeiner tapferſten Heerfuͤhrer und weiſe-
„ſten Staatsmaͤnner, hielten die Goͤtter, die ſie
„anbeteten, zwar fuͤr Weſen, die maͤchtiger als
„Menſchen waͤren, die aber mit ihnen einerley
„beduͤrfniſſe, Leidenſchaften, Schwachheiten
„und ſogar Laſter haͤtten. — Alle Goͤtter ſchie-
„nen den Athenienſern, ſo wie den uͤbrigen
„Griechen, ſo boͤsartig, daß ſie ſich einbildeten:
„ein auſſerordentliches oder langedaurendes
„Gluͤck ziehe den Zorn und die Mißgunſt der
„Goͤtter auf ſich, und werde durch ihre Veran-
„ſtaltungen uͤbern Haufen geworfen. Sie dach-
„ten ſich ferner eben dieſe Goͤtter ſo reitzbar,

daß
*) Geſchichte der Wiſſenſchaften in Griechenland
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G 3
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[101/0203] weit war das Heidentum von dieſer Verfeine- rung entfernt! Ihr findet in ihrer ganzen Goͤt- terlehre, in allen Gedichten und andern Ueber- bleibſeln der fruͤhern Zeit keine Spur, daß ſie irgend einer ihrer Gottheiten auch Liebe und Barmherzigkeit gegen die Menſchenkinder zuge- ſchrieben haͤtten. „Sowohl das Volk,“ ſagt Herr Meiners *) von dem weiſeſten Staate der Griechen, „ſowohl das Volk, als der groͤßte „Theil ſeiner tapferſten Heerfuͤhrer und weiſe- „ſten Staatsmaͤnner, hielten die Goͤtter, die ſie „anbeteten, zwar fuͤr Weſen, die maͤchtiger als „Menſchen waͤren, die aber mit ihnen einerley „beduͤrfniſſe, Leidenſchaften, Schwachheiten „und ſogar Laſter haͤtten. — Alle Goͤtter ſchie- „nen den Athenienſern, ſo wie den uͤbrigen „Griechen, ſo boͤsartig, daß ſie ſich einbildeten: „ein auſſerordentliches oder langedaurendes „Gluͤck ziehe den Zorn und die Mißgunſt der „Goͤtter auf ſich, und werde durch ihre Veran- „ſtaltungen uͤbern Haufen geworfen. Sie dach- „ten ſich ferner eben dieſe Goͤtter ſo reitzbar, daß *) Geſchichte der Wiſſenſchaften in Griechenland und Rom. Zweiter Band. S. 77. G 3

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/203>, abgerufen am 21.11.2024.