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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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verstehen, wenn ihr von der Einfalt und sittlichen
Großheit jener ursprünglichen Verfassung redet.
Wie jener in der Liebe nur die Befriedigung der
gemeinen Lüsternheit kennet; so spricht dieser in
der Staatsklugheit blos von Macht, Geldum-
lauf, Handlung, Gleichgewicht, Volksmenge,
und die Religion ist ihm ein Mittel, dessen sich
der Gesetzgeber bedienet, den unbändigen Men-
schen im Zaume zu halten, und der Priester, um
ihn auszusaugen, und sein Mark zu verzehren.

Diesen falschen Gesichtspunkt, aus welchem
wir das wahre Interesse der menschlichen Ge-
sellschaft zu betrachten gewohnt sind, mußte ich
meinem Leser aus den Augen rücken. Ich habe
ihm dieserhalb den Gegenstand bey keinen Na-
men genennet; sondern selbst mit seinen Eigen-
schaften und Bestimmungen darzustellen gesucht.
Wenn wir mit geradem Blick auf denselben hin-
schauen, werden wir, wie jener Weltweise von
der Sonne sagte, in der ächten Politik eine
Gottheit erblicken, wo gemeine Augen einen
Stein sehen.

Ich habe gesagt, daß die mosaische Verfas-
sung nicht lange in ihrer ersten Lauterkeit be-

standen.

verſtehen, wenn ihr von der Einfalt und ſittlichen
Großheit jener urſpruͤnglichen Verfaſſung redet.
Wie jener in der Liebe nur die Befriedigung der
gemeinen Luͤſternheit kennet; ſo ſpricht dieſer in
der Staatsklugheit blos von Macht, Geldum-
lauf, Handlung, Gleichgewicht, Volksmenge,
und die Religion iſt ihm ein Mittel, deſſen ſich
der Geſetzgeber bedienet, den unbaͤndigen Men-
ſchen im Zaume zu halten, und der Prieſter, um
ihn auszuſaugen, und ſein Mark zu verzehren.

Dieſen falſchen Geſichtspunkt, aus welchem
wir das wahre Intereſſe der menſchlichen Ge-
ſellſchaft zu betrachten gewohnt ſind, mußte ich
meinem Leſer aus den Augen ruͤcken. Ich habe
ihm dieſerhalb den Gegenſtand bey keinen Na-
men genennet; ſondern ſelbſt mit ſeinen Eigen-
ſchaften und Beſtimmungen darzuſtellen geſucht.
Wenn wir mit geradem Blick auf denſelben hin-
ſchauen, werden wir, wie jener Weltweiſe von
der Sonne ſagte, in der aͤchten Politik eine
Gottheit erblicken, wo gemeine Augen einen
Stein ſehen.

Ich habe geſagt, daß die moſaiſche Verfaſ-
ſung nicht lange in ihrer erſten Lauterkeit be-

ſtanden.
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[124/0226] verſtehen, wenn ihr von der Einfalt und ſittlichen Großheit jener urſpruͤnglichen Verfaſſung redet. Wie jener in der Liebe nur die Befriedigung der gemeinen Luͤſternheit kennet; ſo ſpricht dieſer in der Staatsklugheit blos von Macht, Geldum- lauf, Handlung, Gleichgewicht, Volksmenge, und die Religion iſt ihm ein Mittel, deſſen ſich der Geſetzgeber bedienet, den unbaͤndigen Men- ſchen im Zaume zu halten, und der Prieſter, um ihn auszuſaugen, und ſein Mark zu verzehren. Dieſen falſchen Geſichtspunkt, aus welchem wir das wahre Intereſſe der menſchlichen Ge- ſellſchaft zu betrachten gewohnt ſind, mußte ich meinem Leſer aus den Augen ruͤcken. Ich habe ihm dieſerhalb den Gegenſtand bey keinen Na- men genennet; ſondern ſelbſt mit ſeinen Eigen- ſchaften und Beſtimmungen darzuſtellen geſucht. Wenn wir mit geradem Blick auf denſelben hin- ſchauen, werden wir, wie jener Weltweiſe von der Sonne ſagte, in der aͤchten Politik eine Gottheit erblicken, wo gemeine Augen einen Stein ſehen. Ich habe geſagt, daß die moſaiſche Verfaſ- ſung nicht lange in ihrer erſten Lauterkeit be- ſtanden.

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/226>, abgerufen am 21.11.2024.