Also Handlungen und Gesinnungen gehören zur Vollkommenheit des Menschen, und die Ge- sellschaft hat, so viel als möglich, durch gemein- schaftliche Bemühungen für beides zu sorgen; d. i. die Handlungen der Mitglieder zum gemein- schaftlichen Besten zu lenken, und Gesinnungen zu veranlassen, die zu diesen Handlungen füh- ren. Jenes ist die Regierung, dieses die Erzie- hung des geselligen Menschen. Zu beiden wird der Mensch durch Gründe geleitet, und zwar zu den Handlungen durch Bewegungsgründe, und zu den Gesinnungen durch Wahrheits- gründe. Die Gesellschaft hat also beide durch öffentliche Anstalten so einzurichten, daß sie zum allgemeinen Besten übereinstimmen.
Die Gründe, welche den Menschen zu ver- nünftigen Handlungen und Gesinnungen leiten, beruhen zum Theil auf Verhältnissen der Men- schen gegen einander, zum Theil auf Verhält- nissen der Menschen gegen ihren Urheber und Erhalter. Jene gehören für den Staat, diese für die Religion. In so weit die Handlungen und Gesinnungen der Menschen, durch Gründe, die aus ihren Verhältnissen gegen einander flies- sen, gemeinnützig gemacht werden können,
sind
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Alſo Handlungen und Geſinnungen gehoͤren zur Vollkommenheit des Menſchen, und die Ge- ſellſchaft hat, ſo viel als moͤglich, durch gemein- ſchaftliche Bemuͤhungen fuͤr beides zu ſorgen; d. i. die Handlungen der Mitglieder zum gemein- ſchaftlichen Beſten zu lenken, und Geſinnungen zu veranlaſſen, die zu dieſen Handlungen fuͤh- ren. Jenes iſt die Regierung, dieſes die Erzie- hung des geſelligen Menſchen. Zu beiden wird der Menſch durch Gruͤnde geleitet, und zwar zu den Handlungen durch Bewegungsgruͤnde, und zu den Geſinnungen durch Wahrheits- gruͤnde. Die Geſellſchaft hat alſo beide durch oͤffentliche Anſtalten ſo einzurichten, daß ſie zum allgemeinen Beſten uͤbereinſtimmen.
Die Gruͤnde, welche den Menſchen zu ver- nuͤnftigen Handlungen und Geſinnungen leiten, beruhen zum Theil auf Verhaͤltniſſen der Men- ſchen gegen einander, zum Theil auf Verhaͤlt- niſſen der Menſchen gegen ihren Urheber und Erhalter. Jene gehoͤren fuͤr den Staat, dieſe fuͤr die Religion. In ſo weit die Handlungen und Geſinnungen der Menſchen, durch Gruͤnde, die aus ihren Verhaͤltniſſen gegen einander flieſ- ſen, gemeinnuͤtzig gemacht werden koͤnnen,
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Alſo Handlungen und Geſinnungen gehoͤren
zur Vollkommenheit des Menſchen, und die Ge-
ſellſchaft hat, ſo viel als moͤglich, durch gemein-
ſchaftliche Bemuͤhungen fuͤr beides zu ſorgen;
d. i. die Handlungen der Mitglieder zum gemein-
ſchaftlichen Beſten zu lenken, und Geſinnungen
zu veranlaſſen, die zu dieſen Handlungen fuͤh-
ren. Jenes iſt die Regierung, dieſes die Erzie-
hung des geſelligen Menſchen. Zu beiden wird
der Menſch durch Gruͤnde geleitet, und zwar
zu den Handlungen durch Bewegungsgruͤnde,
und zu den Geſinnungen durch Wahrheits-
gruͤnde. Die Geſellſchaft hat alſo beide durch
oͤffentliche Anſtalten ſo einzurichten, daß ſie zum
allgemeinen Beſten uͤbereinſtimmen.
Die Gruͤnde, welche den Menſchen zu ver-
nuͤnftigen Handlungen und Geſinnungen leiten,
beruhen zum Theil auf Verhaͤltniſſen der Men-
ſchen gegen einander, zum Theil auf Verhaͤlt-
niſſen der Menſchen gegen ihren Urheber und
Erhalter. Jene gehoͤren fuͤr den Staat, dieſe
fuͤr die Religion. In ſo weit die Handlungen
und Geſinnungen der Menſchen, durch Gruͤnde,
die aus ihren Verhaͤltniſſen gegen einander flieſ-
ſen, gemeinnuͤtzig gemacht werden koͤnnen,
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/25>, abgerufen am 16.07.2024.
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