dele ich wider das vollkommene Recht meines Nächsten.
Dieses gilt sowohl von körperlichen be- weglichen Gütern, die von Hand in Hand gegeben und angenommen werden können, als von unbeweglichen, oder auch geisti- gen Gütern, davon die Rechte blos durch hinlängliche Willenserklärung abgetreten und angenommen werden können. Im Grunde kömmt alles blos auf diese Wil- lenserklärung an, und die wirkliche Ein- handigung beweglicher Güter selbst kann nur gültig seyn, in so weit sie für ein Zei- chen der hinlänglichen Willenserklärung genommen wird. Die bloße Einhändigung an und für sich betrachtet, giebt und nimmt kein Recht, so oft diese Absicht nicht damit verbunden ist. Was ich meinem Nächsten in die Hand gebe, habe ich ihm deswegen noch nicht eingehändiget, und was ich von ihm in die Hand nehme, habe ich da- mit noch nicht rechtskräftig angenommen, wenn ich nicht zu erkennen gegeben, daß die Handlung in dieser Absicht geschehen sey. Ist aber die Tradition selbst blos als
Zei-
Erster Abschnitt. D
dele ich wider das vollkommene Recht meines Naͤchſten.
Dieſes gilt ſowohl von koͤrperlichen be- weglichen Guͤtern, die von Hand in Hand gegeben und angenommen werden koͤnnen, als von unbeweglichen, oder auch geiſti- gen Guͤtern, davon die Rechte blos durch hinlaͤngliche Willenserklaͤrung abgetreten und angenommen werden koͤnnen. Im Grunde koͤmmt alles blos auf dieſe Wil- lenserklaͤrung an, und die wirkliche Ein- handigung beweglicher Guͤter ſelbſt kann nur guͤltig ſeyn, in ſo weit ſie fuͤr ein Zei- chen der hinlaͤnglichen Willenserklaͤrung genommen wird. Die bloße Einhaͤndigung an und fuͤr ſich betrachtet, giebt und nimmt kein Recht, ſo oft dieſe Abſicht nicht damit verbunden iſt. Was ich meinem Naͤchſten in die Hand gebe, habe ich ihm deswegen noch nicht eingehaͤndiget, und was ich von ihm in die Hand nehme, habe ich da- mit noch nicht rechtskraͤftig angenommen, wenn ich nicht zu erkennen gegeben, daß die Handlung in dieſer Abſicht geſchehen ſey. Iſt aber die Tradition ſelbſt blos als
Zei-
Erſter Abſchnitt. D
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dele ich wider das vollkommene Recht
meines Naͤchſten.
Dieſes gilt ſowohl von koͤrperlichen be-
weglichen Guͤtern, die von Hand in Hand
gegeben und angenommen werden koͤnnen,
als von unbeweglichen, oder auch geiſti-
gen Guͤtern, davon die Rechte blos durch
hinlaͤngliche Willenserklaͤrung abgetreten
und angenommen werden koͤnnen. Im
Grunde koͤmmt alles blos auf dieſe Wil-
lenserklaͤrung an, und die wirkliche Ein-
handigung beweglicher Guͤter ſelbſt kann
nur guͤltig ſeyn, in ſo weit ſie fuͤr ein Zei-
chen der hinlaͤnglichen Willenserklaͤrung
genommen wird. Die bloße Einhaͤndigung
an und fuͤr ſich betrachtet, giebt und nimmt
kein Recht, ſo oft dieſe Abſicht nicht damit
verbunden iſt. Was ich meinem Naͤchſten
in die Hand gebe, habe ich ihm deswegen
noch nicht eingehaͤndiget, und was ich
von ihm in die Hand nehme, habe ich da-
mit noch nicht rechtskraͤftig angenommen,
wenn ich nicht zu erkennen gegeben, daß
die Handlung in dieſer Abſicht geſchehen
ſey. Iſt aber die Tradition ſelbſt blos als
Zei-
Erſter Abſchnitt. D
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/55>, abgerufen am 16.02.2025.
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