trage, davon man sogar bey vielen Thieren et- was Analogisches findet.
Laßt uns von dieser Theorie der Rechte, Pflichten und Verträge die Anwendung auf den Unterschied zwischen Staat und Kirche machen, davon wir ausgegangen sind. Beide, Staat und Kirche, haben sowohl Handlungen, als Gesinnungen zu ihrem Gegenstande: jene in so weit sie sich auf Verhältnisse zwischen Mensch und Natur; diese in so weit sie sich auf Ver- hältnisse zwischen Natur und Gott gründen. Die Menschen bedürfen einander, hoffen und versprechen, erwarten und leisten einer dem an- dern Dienst und Gegendienst. Die Vermi- schung von Ueberfluß und Mangel, Kraft und Bedürfniß, Eigensucht und Wohlwollen, die ih- nen die Natur gegeben, treibet sie an, in ge- sellschaftliche Verbindung zu treten, um ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen weitern Spiel- raum zu verschaffen, Jedes Individuum ist verbunden, einen Theil seiner Fähigkeiten und der dadurch erworbenen Rechte, zum Besten der verbundenen Gesellschaft anzuwenden; aber welchen? wenn? und zu welchem Entzwecke? -- An und für sich sollte dieses nur der bestim-
men,
trage, davon man ſogar bey vielen Thieren et- was Analogiſches findet.
Laßt uns von dieſer Theorie der Rechte, Pflichten und Vertraͤge die Anwendung auf den Unterſchied zwiſchen Staat und Kirche machen, davon wir ausgegangen ſind. Beide, Staat und Kirche, haben ſowohl Handlungen, als Geſinnungen zu ihrem Gegenſtande: jene in ſo weit ſie ſich auf Verhaͤltniſſe zwiſchen Menſch und Natur; dieſe in ſo weit ſie ſich auf Ver- haͤltniſſe zwiſchen Natur und Gott gruͤnden. Die Menſchen beduͤrfen einander, hoffen und verſprechen, erwarten und leiſten einer dem an- dern Dienſt und Gegendienſt. Die Vermi- ſchung von Ueberfluß und Mangel, Kraft und Beduͤrfniß, Eigenſucht und Wohlwollen, die ih- nen die Natur gegeben, treibet ſie an, in ge- ſellſchaftliche Verbindung zu treten, um ihren Faͤhigkeiten und Beduͤrfniſſen weitern Spiel- raum zu verſchaffen, Jedes Individuum iſt verbunden, einen Theil ſeiner Faͤhigkeiten und der dadurch erworbenen Rechte, zum Beſten der verbundenen Geſellſchaft anzuwenden; aber welchen? wenn? und zu welchem Entzwecke? — An und fuͤr ſich ſollte dieſes nur der beſtim-
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[56/0062]
trage, davon man ſogar bey vielen Thieren et-
was Analogiſches findet.
Laßt uns von dieſer Theorie der Rechte,
Pflichten und Vertraͤge die Anwendung auf
den Unterſchied zwiſchen Staat und Kirche
machen, davon wir ausgegangen ſind. Beide,
Staat und Kirche, haben ſowohl Handlungen,
als Geſinnungen zu ihrem Gegenſtande: jene in
ſo weit ſie ſich auf Verhaͤltniſſe zwiſchen Menſch
und Natur; dieſe in ſo weit ſie ſich auf Ver-
haͤltniſſe zwiſchen Natur und Gott gruͤnden.
Die Menſchen beduͤrfen einander, hoffen und
verſprechen, erwarten und leiſten einer dem an-
dern Dienſt und Gegendienſt. Die Vermi-
ſchung von Ueberfluß und Mangel, Kraft und
Beduͤrfniß, Eigenſucht und Wohlwollen, die ih-
nen die Natur gegeben, treibet ſie an, in ge-
ſellſchaftliche Verbindung zu treten, um ihren
Faͤhigkeiten und Beduͤrfniſſen weitern Spiel-
raum zu verſchaffen, Jedes Individuum iſt
verbunden, einen Theil ſeiner Faͤhigkeiten und
der dadurch erworbenen Rechte, zum Beſten
der verbundenen Geſellſchaft anzuwenden; aber
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/62>, abgerufen am 16.02.2025.
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