eine indirekte Bestrafung zu nennen ist, und im Grunde dieselbe Wirkung hat, als eine direkte Belohnung des Einstimmens, und Bestrafung des Widerspruchs. Es ist armseliges Blend- werk, wenn in einigen Lehrbüchern des Kirchen- rechts so sehr auf den Unterschied zwischen Be- lohnung und Vorrecht; Bestrafung und Ein- schränkung gedrungen wird. Den Sprachfor- schern kann diese Bemerkung nützlich seyn; allein dem Elenden, der die Rechte der Menschheit entbehren muß, weil er nicht sagen kann: ich glaube, wo er nicht glaubet; nicht mit dem Munde Muselmann, und im Herzen Christ seyn will, dem bringet diese Distinktion nur leidigen Trost. Und welches sind die Gränzen der Vorrechte auf der einen, und der Einschrän- kung auf der andern Seite? Mit einer mäßi- gen Gabe von Dialektik erweitert man diese Be- griffe, und dehnet sie so lange aus, bis sie auf der einen Seite bürgerliche Glückseligkeit, auf der andern Unterdrückung, Verbannung und Elend werden *)
Furcht
*) Ein Collegium von gelehrten und angesehenen Männern, in einem übrigens ziemlich duldsamen .
Staate
eine indirekte Beſtrafung zu nennen iſt, und im Grunde dieſelbe Wirkung hat, als eine direkte Belohnung des Einſtimmens, und Beſtrafung des Widerſpruchs. Es iſt armſeliges Blend- werk, wenn in einigen Lehrbuͤchern des Kirchen- rechts ſo ſehr auf den Unterſchied zwiſchen Be- lohnung und Vorrecht; Beſtrafung und Ein- ſchraͤnkung gedrungen wird. Den Sprachfor- ſchern kann dieſe Bemerkung nuͤtzlich ſeyn; allein dem Elenden, der die Rechte der Menſchheit entbehren muß, weil er nicht ſagen kann: ich glaube, wo er nicht glaubet; nicht mit dem Munde Muſelmann, und im Herzen Chriſt ſeyn will, dem bringet dieſe Diſtinktion nur leidigen Troſt. Und welches ſind die Graͤnzen der Vorrechte auf der einen, und der Einſchraͤn- kung auf der andern Seite? Mit einer maͤßi- gen Gabe von Dialektik erweitert man dieſe Be- griffe, und dehnet ſie ſo lange aus, bis ſie auf der einen Seite buͤrgerliche Gluͤckſeligkeit, auf der andern Unterdruͤckung, Verbannung und Elend werden *)
Furcht
*) Ein Collegium von gelehrten und angeſehenen Maͤnnern, in einem uͤbrigens ziemlich duldſamen .
Staate
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eine indirekte Beſtrafung zu nennen iſt, und im
Grunde dieſelbe Wirkung hat, als eine direkte
Belohnung des Einſtimmens, und Beſtrafung
des Widerſpruchs. Es iſt armſeliges Blend-
werk, wenn in einigen Lehrbuͤchern des Kirchen-
rechts ſo ſehr auf den Unterſchied zwiſchen Be-
lohnung und Vorrecht; Beſtrafung und Ein-
ſchraͤnkung gedrungen wird. Den Sprachfor-
ſchern kann dieſe Bemerkung nuͤtzlich ſeyn; allein
dem Elenden, der die Rechte der Menſchheit
entbehren muß, weil er nicht ſagen kann: ich
glaube, wo er nicht glaubet; nicht mit dem
Munde Muſelmann, und im Herzen Chriſt
ſeyn will, dem bringet dieſe Diſtinktion nur
leidigen Troſt. Und welches ſind die Graͤnzen
der Vorrechte auf der einen, und der Einſchraͤn-
kung auf der andern Seite? Mit einer maͤßi-
gen Gabe von Dialektik erweitert man dieſe Be-
griffe, und dehnet ſie ſo lange aus, bis ſie auf
der einen Seite buͤrgerliche Gluͤckſeligkeit, auf der
andern Unterdruͤckung, Verbannung und Elend
werden *)
Furcht
*) Ein Collegium von gelehrten und angeſehenen
Maͤnnern, in einem uͤbrigens ziemlich duldſamen
Staate.
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/72>, abgerufen am 16.02.2025.
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