Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

wissen, muß ohne Eid und Fluch von der Wahr-
heit innigst durchdrungen seyn, daß Gott Zeu-
ge sey, nicht nur aller Worte und Aussagen,
sondern aller Gedanken und geheimsien Re-
gungen des Menschen, und daß er die Uebertre-
tung seines allerheiligsten Willens nicht un-
geahndet lasse; -- und der entschlossene, ge-
wissenlose Bösewicht?

Der fürchtet keine Götter,
Der keines Menschen schont.

Also blos für den gemeinen Mittelschlag von
Menschen, oder im Grunde für jeden von
uns, in so weit wir alle, so viel unserer
sind, in so manchen Fällen zu dieser Klasse
zu zählen sind; für die schwachen, unschlüssi-
gen und schwankenden Menschen, die Grund-
sätze haben, und sie nicht immer befolgen; die
träge und lässig sind zum Guten, das sie erken-
nen und einsehen; die ihrer Laune nachgeben,
einer Schwachheit zu gefallen, aufschieben, be-
manteln, Entschuldigung suchen, und mehren-
theils zu finden glauben. Sie wollen, und
haben die Festigkeit nicht, ihrem Willen treu
zu bleiben. Diesen muß der Wille gestählt,

das
E 5

wiſſen, muß ohne Eid und Fluch von der Wahr-
heit innigſt durchdrungen ſeyn, daß Gott Zeu-
ge ſey, nicht nur aller Worte und Ausſagen,
ſondern aller Gedanken und geheimſien Re-
gungen des Menſchen, und daß er die Uebertre-
tung ſeines allerheiligſten Willens nicht un-
geahndet laſſe; — und der entſchloſſene, ge-
wiſſenloſe Boͤſewicht?

Der fuͤrchtet keine Goͤtter,
Der keines Menſchen ſchont.

Alſo blos fuͤr den gemeinen Mittelſchlag von
Menſchen, oder im Grunde fuͤr jeden von
uns, in ſo weit wir alle, ſo viel unſerer
ſind, in ſo manchen Faͤllen zu dieſer Klaſſe
zu zaͤhlen ſind; fuͤr die ſchwachen, unſchluͤſſi-
gen und ſchwankenden Menſchen, die Grund-
ſaͤtze haben, und ſie nicht immer befolgen; die
traͤge und laͤſſig ſind zum Guten, das ſie erken-
nen und einſehen; die ihrer Laune nachgeben,
einer Schwachheit zu gefallen, aufſchieben, be-
manteln, Entſchuldigung ſuchen, und mehren-
theils zu finden glauben. Sie wollen, und
haben die Feſtigkeit nicht, ihrem Willen treu
zu bleiben. Dieſen muß der Wille geſtaͤhlt,

das
E 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0079" n="73"/>
wi&#x017F;&#x017F;en, muß ohne Eid und Fluch von der Wahr-<lb/>
heit innig&#x017F;t durchdrungen &#x017F;eyn, daß Gott Zeu-<lb/>
ge &#x017F;ey, nicht nur aller Worte und Aus&#x017F;agen,<lb/>
&#x017F;ondern aller Gedanken und geheim&#x017F;ien Re-<lb/>
gungen des Men&#x017F;chen, und daß er die Uebertre-<lb/>
tung &#x017F;eines allerheilig&#x017F;ten Willens nicht un-<lb/>
geahndet la&#x017F;&#x017F;e; &#x2014; und der ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene, ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;enlo&#x017F;e Bo&#x0364;&#x017F;ewicht?</p><lb/>
      <lg type="poem">
        <l>Der fu&#x0364;rchtet keine Go&#x0364;tter,</l><lb/>
        <l>Der keines Men&#x017F;chen &#x017F;chont.</l>
      </lg><lb/>
      <p>Al&#x017F;o blos fu&#x0364;r den gemeinen Mittel&#x017F;chlag von<lb/>
Men&#x017F;chen, oder im Grunde fu&#x0364;r jeden von<lb/>
uns, in &#x017F;o weit wir alle, &#x017F;o viel un&#x017F;erer<lb/>
&#x017F;ind, in &#x017F;o manchen Fa&#x0364;llen zu die&#x017F;er Kla&#x017F;&#x017F;e<lb/>
zu za&#x0364;hlen &#x017F;ind; fu&#x0364;r die &#x017F;chwachen, un&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;i-<lb/>
gen und &#x017F;chwankenden Men&#x017F;chen, die Grund-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;tze haben, und &#x017F;ie nicht immer befolgen; die<lb/>
tra&#x0364;ge und la&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig &#x017F;ind zum Guten, das &#x017F;ie erken-<lb/>
nen und ein&#x017F;ehen; die ihrer Laune nachgeben,<lb/>
einer Schwachheit zu gefallen, auf&#x017F;chieben, be-<lb/>
manteln, Ent&#x017F;chuldigung &#x017F;uchen, und mehren-<lb/>
theils zu finden glauben. Sie wollen, und<lb/>
haben die Fe&#x017F;tigkeit nicht, ihrem Willen treu<lb/>
zu bleiben. Die&#x017F;en muß der Wille ge&#x017F;ta&#x0364;hlt,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 5</fw><fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0079] wiſſen, muß ohne Eid und Fluch von der Wahr- heit innigſt durchdrungen ſeyn, daß Gott Zeu- ge ſey, nicht nur aller Worte und Ausſagen, ſondern aller Gedanken und geheimſien Re- gungen des Menſchen, und daß er die Uebertre- tung ſeines allerheiligſten Willens nicht un- geahndet laſſe; — und der entſchloſſene, ge- wiſſenloſe Boͤſewicht? Der fuͤrchtet keine Goͤtter, Der keines Menſchen ſchont. Alſo blos fuͤr den gemeinen Mittelſchlag von Menſchen, oder im Grunde fuͤr jeden von uns, in ſo weit wir alle, ſo viel unſerer ſind, in ſo manchen Faͤllen zu dieſer Klaſſe zu zaͤhlen ſind; fuͤr die ſchwachen, unſchluͤſſi- gen und ſchwankenden Menſchen, die Grund- ſaͤtze haben, und ſie nicht immer befolgen; die traͤge und laͤſſig ſind zum Guten, das ſie erken- nen und einſehen; die ihrer Laune nachgeben, einer Schwachheit zu gefallen, aufſchieben, be- manteln, Entſchuldigung ſuchen, und mehren- theils zu finden glauben. Sie wollen, und haben die Feſtigkeit nicht, ihrem Willen treu zu bleiben. Dieſen muß der Wille geſtaͤhlt, das E 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/79
Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/79>, abgerufen am 21.11.2024.