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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes.
rück. Das Geld ist keine staatliche Erfindung, nicht das Product eines
legislativen Actes und die Sanction desselben Seitens der staat-

Malthus (Principl. of P. E., Chap. II, Sect. I); Mac Culloch (Principl.
of P. E., P. I, Ch. 24); J. St. Mill (Principl. of P. E., B. III, Chap. VII);
Gioja (Nuovo prospetto, 1815, I, S. 118 ff.); Baudrillart (Manuel, Part
III, Chap. III, 1, 1863); Garnier (Traite, Chap. XVII, 1868); und von
deutschen Nationalökonomen: Ch. J. Kraus (Staatsw., B. I, S. 61 ff., ed.
1808); Lueder (National-Industrie, 1800, I, S. 48 ff.). Im Uebrigen zeigen
die deutschen Nationalökonomen in den ersten Decennien dieses Jahrhunderts
wenig Sinn für historische Forschung und das Interesse für unsere Frage
geht in den Schriften eines Oberndorfer, Pölitz, Lotz, Zachariae, Herrmann,
fast vollständig verloren, bis Rau, Eiselen, Roscher, Hildebrandt,
Knies
, gleichwie schon früher Murchardt, mit dem Erwachen der historischen
Forschung auf dem Gebiete unserer Wissenschaft die Frage nach dem Ur-
sprunge des Geldes wieder aufnehmen. -- Wenig gefördert wurde die Unter-
suchung durch die bisher erschienenen Monographien. Ad. Müller (Theorie d.
Geldes, 1816) constatirt das Verlangen der Menschen nach dem Staate und
meint, die edlen Metalle vollzögen diese Vereinigung, (S. 156) -- dies sei
der Ursprung des Geldes; Hoffmann führt (Lehre vom Gelde, 1838,
S. 10) den Ursprung des Geldes wieder auf die Uebereinkunft der
Menschen zurück, ebenso Mich. Chevalier (La monnaie, Cours III, S. 3,
1850). Von grösserem Interesse für unsere Frage ist Oppenheim's Mono-
graphie (Die Natur des Geldes, 1855), obzwar sie ihre Bedeutung nicht so
sehr in einer eigenthümlichen Auffassung vom ersten Ursprunge des Geldes
(S. 4 ff.), als in der Darlegung des Processes sucht, durch welchen die zum
Tauschmittel gewordene Waare diesen ihren anfänglichen Charakter einbüsst,
und schliesslich zu einem blossen Zeichen des Werthes wird. Wenn wir
nämlich auch der letztern Meinung entschieden widersprechen müssen, so liegt
ihr doch ein aus der Darstellung Oppenheim's klar hervortretender Gedanke,
oder vielmehr eine Beobachtung zu Grunde, welche allein erklärt, dass wir
dem obigen Irrthume in den Schriften so vieler ausgezeichneten National-
ökonomen begegnen. Ich meine die Beobachtung, dass der Charakter des
Geldes als Nutzmetall in Folge unseres bequemen Verkehrs-Mechanismus,
dem Bewusstsein der wirtschaftenden Menschen nicht selten ganz ent-
schwindet und in weiterer Consequenz dieses Umstandes lediglich sein Cha-
rakter als Tauschmittel beachtet wird. Die Macht der Gewohnheit ist es
solcherart, welche dem Gelde, auch dort, wo dessen Charakter als Nutz-
metall nicht unmittelbar beachtet wird, doch seine Tauschkraft sichert.
Diese Beobachtung ist ganz richtig. Es ist aber klar, dass die Tauschkraft
des Geldes sammt der ihr zu Grunde liegenden Gewohnheit sofort ver-
schwinden würde, wenn der Charakter des Geldes als Nutzmetall durch
irgend ein Ereigniss beseitigt würde. Dass das Geld vielen wirthschaf-
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Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes.
rück. Das Geld ist keine staatliche Erfindung, nicht das Product eines
legislativen Actes und die Sanction desselben Seitens der staat-

Malthus (Principl. of P. E., Chap. II, Sect. I); Mac Culloch (Principl.
of P. E., P. I, Ch. 24); J. St. Mill (Principl. of P. E., B. III, Chap. VII);
Gioja (Nuovo prospetto, 1815, I, S. 118 ff.); Baudrillart (Manuel, Part
III, Chap. III, 1, 1863); Garnier (Traité, Chap. XVII, 1868); und von
deutschen Nationalökonomen: Ch. J. Kraus (Staatsw., B. I, S. 61 ff., ed.
1808); Lueder (National-Industrie, 1800, I, S. 48 ff.). Im Uebrigen zeigen
die deutschen Nationalökonomen in den ersten Decennien dieses Jahrhunderts
wenig Sinn für historische Forschung und das Interesse für unsere Frage
geht in den Schriften eines Oberndorfer, Pölitz, Lotz, Zachariae, Herrmann,
fast vollständig verloren, bis Rau, Eiselen, Roscher, Hildebrandt,
Knies
, gleichwie schon früher Murchardt, mit dem Erwachen der historischen
Forschung auf dem Gebiete unserer Wissenschaft die Frage nach dem Ur-
sprunge des Geldes wieder aufnehmen. — Wenig gefördert wurde die Unter-
suchung durch die bisher erschienenen Monographien. Ad. Müller (Theorie d.
Geldes, 1816) constatirt das Verlangen der Menschen nach dem Staate und
meint, die edlen Metalle vollzögen diese Vereinigung, (S. 156) — dies sei
der Ursprung des Geldes; Hoffmann führt (Lehre vom Gelde, 1838,
S. 10) den Ursprung des Geldes wieder auf die Uebereinkunft der
Menschen zurück, ebenso Mich. Chevalier (La monnaie, Cours III, S. 3,
1850). Von grösserem Interesse für unsere Frage ist Oppenheim’s Mono-
graphie (Die Natur des Geldes, 1855), obzwar sie ihre Bedeutung nicht so
sehr in einer eigenthümlichen Auffassung vom ersten Ursprunge des Geldes
(S. 4 ff.), als in der Darlegung des Processes sucht, durch welchen die zum
Tauschmittel gewordene Waare diesen ihren anfänglichen Charakter einbüsst,
und schliesslich zu einem blossen Zeichen des Werthes wird. Wenn wir
nämlich auch der letztern Meinung entschieden widersprechen müssen, so liegt
ihr doch ein aus der Darstellung Oppenheim’s klar hervortretender Gedanke,
oder vielmehr eine Beobachtung zu Grunde, welche allein erklärt, dass wir
dem obigen Irrthume in den Schriften so vieler ausgezeichneten National-
ökonomen begegnen. Ich meine die Beobachtung, dass der Charakter des
Geldes als Nutzmetall in Folge unseres bequemen Verkehrs-Mechanismus,
dem Bewusstsein der wirtschaftenden Menschen nicht selten ganz ent-
schwindet und in weiterer Consequenz dieses Umstandes lediglich sein Cha-
rakter als Tauschmittel beachtet wird. Die Macht der Gewohnheit ist es
solcherart, welche dem Gelde, auch dort, wo dessen Charakter als Nutz-
metall nicht unmittelbar beachtet wird, doch seine Tauschkraft sichert.
Diese Beobachtung ist ganz richtig. Es ist aber klar, dass die Tauschkraft
des Geldes sammt der ihr zu Grunde liegenden Gewohnheit sofort ver-
schwinden würde, wenn der Charakter des Geldes als Nutzmetall durch
irgend ein Ereigniss beseitigt würde. Dass das Geld vielen wirthschaf-
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[259/0277] Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes. rück. Das Geld ist keine staatliche Erfindung, nicht das Product eines legislativen Actes und die Sanction desselben Seitens der staat- *) *) Malthus (Principl. of P. E., Chap. II, Sect. I); Mac Culloch (Principl. of P. E., P. I, Ch. 24); J. St. Mill (Principl. of P. E., B. III, Chap. VII); Gioja (Nuovo prospetto, 1815, I, S. 118 ff.); Baudrillart (Manuel, Part III, Chap. III, 1, 1863); Garnier (Traité, Chap. XVII, 1868); und von deutschen Nationalökonomen: Ch. J. Kraus (Staatsw., B. I, S. 61 ff., ed. 1808); Lueder (National-Industrie, 1800, I, S. 48 ff.). Im Uebrigen zeigen die deutschen Nationalökonomen in den ersten Decennien dieses Jahrhunderts wenig Sinn für historische Forschung und das Interesse für unsere Frage geht in den Schriften eines Oberndorfer, Pölitz, Lotz, Zachariae, Herrmann, fast vollständig verloren, bis Rau, Eiselen, Roscher, Hildebrandt, Knies, gleichwie schon früher Murchardt, mit dem Erwachen der historischen Forschung auf dem Gebiete unserer Wissenschaft die Frage nach dem Ur- sprunge des Geldes wieder aufnehmen. — Wenig gefördert wurde die Unter- suchung durch die bisher erschienenen Monographien. Ad. Müller (Theorie d. Geldes, 1816) constatirt das Verlangen der Menschen nach dem Staate und meint, die edlen Metalle vollzögen diese Vereinigung, (S. 156) — dies sei der Ursprung des Geldes; Hoffmann führt (Lehre vom Gelde, 1838, S. 10) den Ursprung des Geldes wieder auf die Uebereinkunft der Menschen zurück, ebenso Mich. Chevalier (La monnaie, Cours III, S. 3, 1850). Von grösserem Interesse für unsere Frage ist Oppenheim’s Mono- graphie (Die Natur des Geldes, 1855), obzwar sie ihre Bedeutung nicht so sehr in einer eigenthümlichen Auffassung vom ersten Ursprunge des Geldes (S. 4 ff.), als in der Darlegung des Processes sucht, durch welchen die zum Tauschmittel gewordene Waare diesen ihren anfänglichen Charakter einbüsst, und schliesslich zu einem blossen Zeichen des Werthes wird. Wenn wir nämlich auch der letztern Meinung entschieden widersprechen müssen, so liegt ihr doch ein aus der Darstellung Oppenheim’s klar hervortretender Gedanke, oder vielmehr eine Beobachtung zu Grunde, welche allein erklärt, dass wir dem obigen Irrthume in den Schriften so vieler ausgezeichneten National- ökonomen begegnen. Ich meine die Beobachtung, dass der Charakter des Geldes als Nutzmetall in Folge unseres bequemen Verkehrs-Mechanismus, dem Bewusstsein der wirtschaftenden Menschen nicht selten ganz ent- schwindet und in weiterer Consequenz dieses Umstandes lediglich sein Cha- rakter als Tauschmittel beachtet wird. Die Macht der Gewohnheit ist es solcherart, welche dem Gelde, auch dort, wo dessen Charakter als Nutz- metall nicht unmittelbar beachtet wird, doch seine Tauschkraft sichert. Diese Beobachtung ist ganz richtig. Es ist aber klar, dass die Tauschkraft des Geldes sammt der ihr zu Grunde liegenden Gewohnheit sofort ver- schwinden würde, wenn der Charakter des Geldes als Nutzmetall durch irgend ein Ereigniss beseitigt würde. Dass das Geld vielen wirthschaf- 17 *

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/277>, abgerufen am 21.11.2024.