Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.Waffen, die jemals zu den verschiedensten Zeiten und Die Meinungen könnten friedlich neben einander Waffen, die jemals zu den verſchiedenſten Zeiten und Die Meinungen koͤnnten friedlich neben einander <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0104" n="94"/> Waffen, die jemals zu den verſchiedenſten Zeiten und<lb/> von den verſchiedenſten Seiten her gegen den Katho¬<lb/> licismus ſich gerichtet, ſondern, ſofern ihre Lehren<lb/> poſitiv ſind, enthaͤlt ſie auch die Keime kuͤnftiger Ent¬<lb/> wickelungen. Die nun auf die Zukunft ſehn, finden<lb/> im gegenwaͤrtigen Proteſtantismus noch mannigfache<lb/> Gebrechen und ſomit herrſchen in dieſer Partei ſehr<lb/> entgegengeſetzte Meinungen. Endlich hat ſich das Hei¬<lb/> denthum wie in den Überlieferungen der katholiſchen<lb/> Kirche, ſo im Libertinismus einiger Proteſtanten eben¬<lb/> falls eine Stimme erhalten. Darf man ſich alſo uͤber<lb/> die ungeheure Mannigfaltigkeit von Meinungen und<lb/> Urtheilen, die uͤber Religion obwalten, noch verwun¬<lb/> dern? Die Stimmen vergangner Jahrtauſende miſchen<lb/> ſich immerfort mit den heutigen, und will man ſie<lb/> alle verſtehen, muß man ſich in allen Zeiten umſehen.<lb/> Kein Zeitalter war ſo roh, daß es nicht in dem un¬<lb/> ſern einen Repraͤſentanten aufzuweiſen haͤtte, und man<lb/> darf wohl auch ſagen, keines wird ſo edel ſeyn, dem<lb/> nicht wenigſtens eine erhabne Ahnung des heutigen<lb/> entſpraͤche. Den Fuß im Abgrund und Sumpf ragt<lb/> dies Geſchlecht mit dem Haupt in ferne Sonnenhoͤhen.<lb/></p> <p>Die Meinungen koͤnnten friedlich neben einander<lb/> beſtehen, aber ſie kaͤmpfen, weil jede allein gelten<lb/> will. Es gibt kein Volk, das ſo heterogene Elemente<lb/> in ſich vereinigte, deſſen mannigfach modificirte Na¬<lb/> turanlagen und Charaktere ſo ſehr aller Normalitaͤt<lb/> widerſtrebten, als das deutſche, und doch ſuchen wir<lb/> allem eine Norm aufzuzwingen, uͤberall denken wir<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [94/0104]
Waffen, die jemals zu den verſchiedenſten Zeiten und
von den verſchiedenſten Seiten her gegen den Katho¬
licismus ſich gerichtet, ſondern, ſofern ihre Lehren
poſitiv ſind, enthaͤlt ſie auch die Keime kuͤnftiger Ent¬
wickelungen. Die nun auf die Zukunft ſehn, finden
im gegenwaͤrtigen Proteſtantismus noch mannigfache
Gebrechen und ſomit herrſchen in dieſer Partei ſehr
entgegengeſetzte Meinungen. Endlich hat ſich das Hei¬
denthum wie in den Überlieferungen der katholiſchen
Kirche, ſo im Libertinismus einiger Proteſtanten eben¬
falls eine Stimme erhalten. Darf man ſich alſo uͤber
die ungeheure Mannigfaltigkeit von Meinungen und
Urtheilen, die uͤber Religion obwalten, noch verwun¬
dern? Die Stimmen vergangner Jahrtauſende miſchen
ſich immerfort mit den heutigen, und will man ſie
alle verſtehen, muß man ſich in allen Zeiten umſehen.
Kein Zeitalter war ſo roh, daß es nicht in dem un¬
ſern einen Repraͤſentanten aufzuweiſen haͤtte, und man
darf wohl auch ſagen, keines wird ſo edel ſeyn, dem
nicht wenigſtens eine erhabne Ahnung des heutigen
entſpraͤche. Den Fuß im Abgrund und Sumpf ragt
dies Geſchlecht mit dem Haupt in ferne Sonnenhoͤhen.
Die Meinungen koͤnnten friedlich neben einander
beſtehen, aber ſie kaͤmpfen, weil jede allein gelten
will. Es gibt kein Volk, das ſo heterogene Elemente
in ſich vereinigte, deſſen mannigfach modificirte Na¬
turanlagen und Charaktere ſo ſehr aller Normalitaͤt
widerſtrebten, als das deutſche, und doch ſuchen wir
allem eine Norm aufzuzwingen, uͤberall denken wir
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