Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.zuerst an Normalzustände, Normalmenschen und wol¬ Die Frage nach der äußern Kirchenverfas¬ zuerſt an Normalzuſtaͤnde, Normalmenſchen und wol¬ Die Frage nach der aͤußern Kirchenverfaſ¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0105" n="95"/> zuerſt an Normalzuſtaͤnde, Normalmenſchen und wol¬<lb/> len auch dann den unermeßlichen Reichthum verſchie¬<lb/> dener Entwickelungen nicht beachten, wenn ſie dem<lb/> Normaliſiren entſchieden in den Weg treten. Selbſt<lb/> die Naturwiſſenſchaft geht von Normalmenſchen aus,<lb/> und beachtet alles, was der Gattung gemeinſam iſt,<lb/> nur nicht, was die Individuen unterſcheidet. Wir<lb/> haben noch keine Theorie der Geruͤche in den Pflan¬<lb/> zen und noch keine der Temperamente in den Men¬<lb/> ſchen. So geht man in der Politik immer von einem<lb/> Normalzuſtand aus und will alle Menſchen nach ei¬<lb/> nem Maße meſſen. So will man auch in der Reli¬<lb/> gion keine Mannigfaltigkeit dulden, und wie ſehr<lb/> dieſe allenthalben ſich kund gibt, in wie verſchiedene<lb/> Glaubensweiſen die Deutſchen ſich trennen, will doch<lb/> jeder die ſeinige zur alleinguͤltigen machen.</p><lb/> <p>Die Frage nach der aͤußern <hi rendition="#g">Kirchenverfaſ¬<lb/> ſung</hi> iſt eigentlich ganz unabhaͤngig von der nach<lb/> dem innern Lehrbegriff, und es iſt beinah ſchon jeder<lb/> moͤgliche Lehrbegriff bei jeder moͤglichen Verfaſſung<lb/> beſtanden. Es hat ein katholiſches Presbyterium, eine<lb/> katholiſche Episcopalkirche ohne Papſt gegeben und<lb/> der Katholicismus iſt der weltlichen Macht, hier dem<lb/> Geſetz, dort dem Monarchen Unterthan worden, wie<lb/> der Proteſtantismus. Es hat aber auch ganz artige<lb/> proteſtantiſche Paͤpſte, Biſchoͤfe, Bannbullen und Ke¬<lb/> tzerrichter gegeben. Nicht die Art und Weiſe wie<lb/> man Gott anbetet, nicht die Religion, ſondern die<lb/> Menſchen und irdiſchen Verhaͤltniſſe machen hier die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [95/0105]
zuerſt an Normalzuſtaͤnde, Normalmenſchen und wol¬
len auch dann den unermeßlichen Reichthum verſchie¬
dener Entwickelungen nicht beachten, wenn ſie dem
Normaliſiren entſchieden in den Weg treten. Selbſt
die Naturwiſſenſchaft geht von Normalmenſchen aus,
und beachtet alles, was der Gattung gemeinſam iſt,
nur nicht, was die Individuen unterſcheidet. Wir
haben noch keine Theorie der Geruͤche in den Pflan¬
zen und noch keine der Temperamente in den Men¬
ſchen. So geht man in der Politik immer von einem
Normalzuſtand aus und will alle Menſchen nach ei¬
nem Maße meſſen. So will man auch in der Reli¬
gion keine Mannigfaltigkeit dulden, und wie ſehr
dieſe allenthalben ſich kund gibt, in wie verſchiedene
Glaubensweiſen die Deutſchen ſich trennen, will doch
jeder die ſeinige zur alleinguͤltigen machen.
Die Frage nach der aͤußern Kirchenverfaſ¬
ſung iſt eigentlich ganz unabhaͤngig von der nach
dem innern Lehrbegriff, und es iſt beinah ſchon jeder
moͤgliche Lehrbegriff bei jeder moͤglichen Verfaſſung
beſtanden. Es hat ein katholiſches Presbyterium, eine
katholiſche Episcopalkirche ohne Papſt gegeben und
der Katholicismus iſt der weltlichen Macht, hier dem
Geſetz, dort dem Monarchen Unterthan worden, wie
der Proteſtantismus. Es hat aber auch ganz artige
proteſtantiſche Paͤpſte, Biſchoͤfe, Bannbullen und Ke¬
tzerrichter gegeben. Nicht die Art und Weiſe wie
man Gott anbetet, nicht die Religion, ſondern die
Menſchen und irdiſchen Verhaͤltniſſe machen hier die
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