Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.dumpfes Andachtsgefühl, kaum ein sklavisches Werte¬ Den Beweisen sind sehr natürlich die Zweifel ge¬ Jede Zeit fühlt sich und hat eine gewisse Eifer¬ dumpfes Andachtsgefuͤhl, kaum ein ſklaviſches Werte¬ Den Beweiſen ſind ſehr natuͤrlich die Zweifel ge¬ Jede Zeit fuͤhlt ſich und hat eine gewiſſe Eifer¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0140" n="130"/> dumpfes Andachtsgefuͤhl, kaum ein ſklaviſches Werte¬<lb/> beten ſo plump und arm geweſen, als jene logiſchen<lb/> Beweiſe von den Eigenſchaften Gottes, die das hoͤchſte<lb/> Weſen zu analyſiren ſtreben, wie der Mineralog ein<lb/> Foſſil, und deren letzter Satz: ich glaube, weil ich<lb/> denke! doch nie eines erſten: ich denke, weil ich<lb/> glaube! entbehren konnte.</p><lb/> <p>Den Beweiſen ſind ſehr natuͤrlich die Zweifel ge¬<lb/> folgt. Anfangs ſuchte man die Zweifel auf, um die<lb/> Beweiſe glaͤnzender zu machen, nachher kamen ſie<lb/> von ſelbſt und der Verſtand, ohne welchen es keinen<lb/> Glauben mehr geben ſollte, verachtete bald die Ma¬<lb/> jeſtaͤt deſſelben, wie der Praͤtorianer den Kaiſer,<lb/> der Seldſchuk den Califen.</p><lb/> <p>Jede Zeit fuͤhlt ſich und hat eine gewiſſe Eifer¬<lb/> ſucht gegen das Alterthum, wenn man dieſem hoͤhere<lb/> Kraͤfte zutraut. Jede Zeit hat aber auch ein natuͤr¬<lb/> liches Gefuͤhl von der Macht, die ſie beherrſcht, und<lb/> unterſcheidet dabei ſehr richtig Wirklichkeit und Schein.<lb/> Deßwegen moͤgen es die Starken nicht leiden, daß<lb/> man ſich vor den Bildern des Alterthums ſo erbaͤrm¬<lb/> lich demuͤthigt, und die Klugen ſagen, man muß die<lb/> Wunder ſehn, wenn man ſie glauben ſoll. So hat<lb/> man laͤngſt die Bilder, die das Volk fuͤr wunderthaͤ¬<lb/> tig hielt, als wurmſtichiges Holz hinweggebrochen<lb/> und ſich endlich auch an die Tradition der alten<lb/> Wunder gewagt. Was man nicht als offenbare Luͤge<lb/> zu beſeitigen vermochte, hat man durch ſo genannte<lb/> natuͤrliche Erklaͤrung des Wunderbaren zu entkleiden<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [130/0140]
dumpfes Andachtsgefuͤhl, kaum ein ſklaviſches Werte¬
beten ſo plump und arm geweſen, als jene logiſchen
Beweiſe von den Eigenſchaften Gottes, die das hoͤchſte
Weſen zu analyſiren ſtreben, wie der Mineralog ein
Foſſil, und deren letzter Satz: ich glaube, weil ich
denke! doch nie eines erſten: ich denke, weil ich
glaube! entbehren konnte.
Den Beweiſen ſind ſehr natuͤrlich die Zweifel ge¬
folgt. Anfangs ſuchte man die Zweifel auf, um die
Beweiſe glaͤnzender zu machen, nachher kamen ſie
von ſelbſt und der Verſtand, ohne welchen es keinen
Glauben mehr geben ſollte, verachtete bald die Ma¬
jeſtaͤt deſſelben, wie der Praͤtorianer den Kaiſer,
der Seldſchuk den Califen.
Jede Zeit fuͤhlt ſich und hat eine gewiſſe Eifer¬
ſucht gegen das Alterthum, wenn man dieſem hoͤhere
Kraͤfte zutraut. Jede Zeit hat aber auch ein natuͤr¬
liches Gefuͤhl von der Macht, die ſie beherrſcht, und
unterſcheidet dabei ſehr richtig Wirklichkeit und Schein.
Deßwegen moͤgen es die Starken nicht leiden, daß
man ſich vor den Bildern des Alterthums ſo erbaͤrm¬
lich demuͤthigt, und die Klugen ſagen, man muß die
Wunder ſehn, wenn man ſie glauben ſoll. So hat
man laͤngſt die Bilder, die das Volk fuͤr wunderthaͤ¬
tig hielt, als wurmſtichiges Holz hinweggebrochen
und ſich endlich auch an die Tradition der alten
Wunder gewagt. Was man nicht als offenbare Luͤge
zu beſeitigen vermochte, hat man durch ſo genannte
natuͤrliche Erklaͤrung des Wunderbaren zu entkleiden
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