Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.schweifungen, worin überall der Grundton der Kanti¬ Fichte gehört der Zeit der französischen Revolu¬ ſchweifungen, worin uͤberall der Grundton der Kanti¬ Fichte gehoͤrt der Zeit der franzoͤſiſchen Revolu¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0194" n="184"/> ſchweifungen, worin uͤberall der Grundton der Kanti¬<lb/> ſchen Philoſophie wiederklingt, Pruͤfung der Men¬<lb/> ſchenſeele, Humanitaͤt und zugleich Polemik gegen den<lb/> alten Wahn. Goͤthe's reiche Gemaͤlde haben ihnen<lb/> eine lange Herrſchaft bereitet, und Wachler hat gar<lb/> nicht Unrecht, wenn er, obwohl ohne das Motiv an¬<lb/> zugeben, in ſeinem Handbuch der deutſchen Literatur<lb/> die Behauptung aufſtellt, Goͤthe habe ſeine allgemeine<lb/> Anerkennung erſt durch Mitwirkung der kritiſchen<lb/> Philoſophie gewonnen.</p><lb/> <p>Fichte gehoͤrt der Zeit der franzoͤſiſchen Revolu¬<lb/> tion an, wie Kant der kurz vorhergehenden friedli¬<lb/> chen Periode. Eine wunderbare Schwaͤrmerei be¬<lb/> maͤchtigte ſich der Menſchen. Man traͤumte von ei¬<lb/> ner hoͤchſten moraliſchen Weltordnung, von einer all¬<lb/> gemeinen Republik, und der Traum ſollte verwirk¬<lb/> ligt werden. Man verwarf Offenbarung und Ge¬<lb/> ſchichte, und das neue Geſchlecht maßte ſich an,<lb/> Kraft ſeines freien Willens alles Alte zu ſtuͤrzen<lb/> und eine neue Menſchheit mit neuen Formen anzu¬<lb/> fangen. Die Franzoſen waren die Helden dieſer neuen<lb/> Lehre, ihre tiefſte philoſophiſche Begruͤndung muß<lb/> unſrem Fichte zugeſchrieben werden. Ihm hingen da¬<lb/> her alle Freunde der franzoͤſiſchen Revolution und<lb/> jene Unzahl jugendlicher Enthuſiaſten an, die ſelbſt<lb/> dann noch von ihren Traͤumen nicht laſſen wollten,<lb/> als die Franzoſen bereits von der nachhinkenden Er¬<lb/> fahrung unſanft aufgeweckt worden. Eine Menge<lb/> Politiker, Hiſtoriker und Paͤdagogen folgten Fichte's<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [184/0194]
ſchweifungen, worin uͤberall der Grundton der Kanti¬
ſchen Philoſophie wiederklingt, Pruͤfung der Men¬
ſchenſeele, Humanitaͤt und zugleich Polemik gegen den
alten Wahn. Goͤthe's reiche Gemaͤlde haben ihnen
eine lange Herrſchaft bereitet, und Wachler hat gar
nicht Unrecht, wenn er, obwohl ohne das Motiv an¬
zugeben, in ſeinem Handbuch der deutſchen Literatur
die Behauptung aufſtellt, Goͤthe habe ſeine allgemeine
Anerkennung erſt durch Mitwirkung der kritiſchen
Philoſophie gewonnen.
Fichte gehoͤrt der Zeit der franzoͤſiſchen Revolu¬
tion an, wie Kant der kurz vorhergehenden friedli¬
chen Periode. Eine wunderbare Schwaͤrmerei be¬
maͤchtigte ſich der Menſchen. Man traͤumte von ei¬
ner hoͤchſten moraliſchen Weltordnung, von einer all¬
gemeinen Republik, und der Traum ſollte verwirk¬
ligt werden. Man verwarf Offenbarung und Ge¬
ſchichte, und das neue Geſchlecht maßte ſich an,
Kraft ſeines freien Willens alles Alte zu ſtuͤrzen
und eine neue Menſchheit mit neuen Formen anzu¬
fangen. Die Franzoſen waren die Helden dieſer neuen
Lehre, ihre tiefſte philoſophiſche Begruͤndung muß
unſrem Fichte zugeſchrieben werden. Ihm hingen da¬
her alle Freunde der franzoͤſiſchen Revolution und
jene Unzahl jugendlicher Enthuſiaſten an, die ſelbſt
dann noch von ihren Traͤumen nicht laſſen wollten,
als die Franzoſen bereits von der nachhinkenden Er¬
fahrung unſanft aufgeweckt worden. Eine Menge
Politiker, Hiſtoriker und Paͤdagogen folgten Fichte's
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |