Ansichten, wie sie im Kleinen überall sich geltend machen, nicht weitläuftig besprechen, sondern muß mich an die größern Hauptansichten halten, die im historischen Gebiete herrschend sind. Im Einzelnen hören wir überall einen Glauben, ein Volk oder ei¬ nen Stamm oder nur Personen über die Gebühr preisen und andre verunglimpfen, und die Religion, das Vaterland, der Stand und die Erziehung des Geschichtsforschers drücken seinen Untersuchungen ih¬ ren Stempel auf. Im Großen aber unterscheiden wir etwa folgende welthistorische Ansichten.
Die Einen bringen ein Ideal des menschlichen Geschlechts mit, nach welchem sie alle historischen Erscheinungen abmessen, und da die Geschichte grö߬ tentheils nur als politische Geschichte betrachtet wird, so sind es jene politischen Ideale, die den Maaßstab hergeben müssen. Die Protestanten und Liberalen haben daher ein andres Ideal, als die Katholiken und Servilen, mithin auch eine andre welthistorische Ansicht. Beide sind aber darin einverstanden, daß nur ein gewisser Theil der Weltbegebenheiten Billi¬ gung verdiene, der andre zu verwerfen sey. Sie ge¬ ben sich also beide einer falschen parteilichen Theil¬ nahme an einzelnen Erscheinungen und einem klägli¬ chen Jammer über die andre hin, und immer liegt im Hintergrund ihrer Ansicht die alberne Anmaßung, daß sie es von Anfang an besser gemacht haben wür¬ den, wenn die Regierung der Welt von ihnen aus¬ gegangen wäre. Die Protestanten, Liberalen und die
Anſichten, wie ſie im Kleinen uͤberall ſich geltend machen, nicht weitlaͤuftig beſprechen, ſondern muß mich an die groͤßern Hauptanſichten halten, die im hiſtoriſchen Gebiete herrſchend ſind. Im Einzelnen hoͤren wir uͤberall einen Glauben, ein Volk oder ei¬ nen Stamm oder nur Perſonen uͤber die Gebuͤhr preiſen und andre verunglimpfen, und die Religion, das Vaterland, der Stand und die Erziehung des Geſchichtsforſchers druͤcken ſeinen Unterſuchungen ih¬ ren Stempel auf. Im Großen aber unterſcheiden wir etwa folgende welthiſtoriſche Anſichten.
Die Einen bringen ein Ideal des menſchlichen Geſchlechts mit, nach welchem ſie alle hiſtoriſchen Erſcheinungen abmeſſen, und da die Geſchichte groͤ߬ tentheils nur als politiſche Geſchichte betrachtet wird, ſo ſind es jene politiſchen Ideale, die den Maaßſtab hergeben muͤſſen. Die Proteſtanten und Liberalen haben daher ein andres Ideal, als die Katholiken und Servilen, mithin auch eine andre welthiſtoriſche Anſicht. Beide ſind aber darin einverſtanden, daß nur ein gewiſſer Theil der Weltbegebenheiten Billi¬ gung verdiene, der andre zu verwerfen ſey. Sie ge¬ ben ſich alſo beide einer falſchen parteilichen Theil¬ nahme an einzelnen Erſcheinungen und einem klaͤgli¬ chen Jammer uͤber die andre hin, und immer liegt im Hintergrund ihrer Anſicht die alberne Anmaßung, daß ſie es von Anfang an beſſer gemacht haben wuͤr¬ den, wenn die Regierung der Welt von ihnen aus¬ gegangen waͤre. Die Proteſtanten, Liberalen und die
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Anſichten, wie ſie im Kleinen uͤberall ſich geltend
machen, nicht weitlaͤuftig beſprechen, ſondern muß
mich an die groͤßern Hauptanſichten halten, die im
hiſtoriſchen Gebiete herrſchend ſind. Im Einzelnen
hoͤren wir uͤberall einen Glauben, ein Volk oder ei¬
nen Stamm oder nur Perſonen uͤber die Gebuͤhr
preiſen und andre verunglimpfen, und die Religion,
das Vaterland, der Stand und die Erziehung des
Geſchichtsforſchers druͤcken ſeinen Unterſuchungen ih¬
ren Stempel auf. Im Großen aber unterſcheiden
wir etwa folgende welthiſtoriſche Anſichten.
Die Einen bringen ein Ideal des menſchlichen
Geſchlechts mit, nach welchem ſie alle hiſtoriſchen
Erſcheinungen abmeſſen, und da die Geſchichte groͤ߬
tentheils nur als politiſche Geſchichte betrachtet wird,
ſo ſind es jene politiſchen Ideale, die den Maaßſtab
hergeben muͤſſen. Die Proteſtanten und Liberalen
haben daher ein andres Ideal, als die Katholiken
und Servilen, mithin auch eine andre welthiſtoriſche
Anſicht. Beide ſind aber darin einverſtanden, daß
nur ein gewiſſer Theil der Weltbegebenheiten Billi¬
gung verdiene, der andre zu verwerfen ſey. Sie ge¬
ben ſich alſo beide einer falſchen parteilichen Theil¬
nahme an einzelnen Erſcheinungen und einem klaͤgli¬
chen Jammer uͤber die andre hin, und immer liegt
im Hintergrund ihrer Anſicht die alberne Anmaßung,
daß ſie es von Anfang an beſſer gemacht haben wuͤr¬
den, wenn die Regierung der Welt von ihnen aus¬
gegangen waͤre. Die Proteſtanten, Liberalen und die
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/214>, abgerufen am 21.07.2024.
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