Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.Formen schaffen. Was regellos sich gesondert, kry¬ Allen diesen Bildungen liegt die Theokratie Die Theokraten haben sich von jeher der Wirk¬ Formen ſchaffen. Was regellos ſich geſondert, kry¬ Allen dieſen Bildungen liegt die Theokratie Die Theokraten haben ſich von jeher der Wirk¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0243" n="233"/> Formen ſchaffen. Was regellos ſich geſondert, kry¬<lb/> ſtalliſirt ſich wieder in regelmaͤßige Geſtalt und im¬<lb/> mer wieder will das Geſchlecht die Harmonie der<lb/> Natur in ſeinen geſelligen Formen nachbilden.</p><lb/> <p>Allen dieſen Bildungen liegt die <hi rendition="#g">Theokratie</hi><lb/> zu Grunde. Das hoͤchſte Weſen iſt der Mittelpunkt,<lb/> in welchen man den Urgrund und die erhaltende Kraft<lb/> der Staaten verſetzt. Der Staat ſoll die goͤttliche<lb/> Ordnung in der Geſchichte darſtellen. Darum ſpricht<lb/> er die hoͤchſte Autoritaͤt und die unbedingte Herrſchaft<lb/> uͤber die Individuen an, und iſt, in unvollkommener<lb/> Erſcheinung, der beſtaͤndige Feind der Freiheit, wie er<lb/> in vollkommener die Verſoͤhnung derſelben ſeyn muß.</p><lb/> <p>Die Theokraten haben ſich von jeher der <hi rendition="#g">Wirk¬<lb/> lichkeit</hi> naͤher angeſchloſſen, als die Idealiſten fuͤr<lb/> die Freiheit. Eben weil ihr Staat inſtinktartig, von<lb/> plaſtiſchem Naturtrieb beſeelt, aus den mannigfalti¬<lb/> gen Elementen der Geſellſchaft ſich zuſammenfuͤgte,<lb/> ward jede natuͤrliche Sonderung der Geſchlechter, der<lb/> Lebensalter, der koͤrperlichen und geiſtigen Vermoͤgen<lb/> und Neigungen im Staat beruͤckſichtigt, jedes fand<lb/> ſeine Stelle. Auch dann, als ſpaͤterhin die alte Ord¬<lb/> nung der neuen Entwicklung nicht mehr entſprach,<lb/> als die Freiheit die alten Formen zerbrach und hier<lb/> der alte Zug der Natur wieder neue Formen bildete,<lb/> oder die Gewalt die Maſſen zuſammenſchmiedete, be¬<lb/> hielt hier naturgemaͤß, dort zu Gunſten des Gewalt¬<lb/> habers, die natuͤrliche Sonderung der Menſchen ih¬<lb/> ren Ausdruck im Staate.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [233/0243]
Formen ſchaffen. Was regellos ſich geſondert, kry¬
ſtalliſirt ſich wieder in regelmaͤßige Geſtalt und im¬
mer wieder will das Geſchlecht die Harmonie der
Natur in ſeinen geſelligen Formen nachbilden.
Allen dieſen Bildungen liegt die Theokratie
zu Grunde. Das hoͤchſte Weſen iſt der Mittelpunkt,
in welchen man den Urgrund und die erhaltende Kraft
der Staaten verſetzt. Der Staat ſoll die goͤttliche
Ordnung in der Geſchichte darſtellen. Darum ſpricht
er die hoͤchſte Autoritaͤt und die unbedingte Herrſchaft
uͤber die Individuen an, und iſt, in unvollkommener
Erſcheinung, der beſtaͤndige Feind der Freiheit, wie er
in vollkommener die Verſoͤhnung derſelben ſeyn muß.
Die Theokraten haben ſich von jeher der Wirk¬
lichkeit naͤher angeſchloſſen, als die Idealiſten fuͤr
die Freiheit. Eben weil ihr Staat inſtinktartig, von
plaſtiſchem Naturtrieb beſeelt, aus den mannigfalti¬
gen Elementen der Geſellſchaft ſich zuſammenfuͤgte,
ward jede natuͤrliche Sonderung der Geſchlechter, der
Lebensalter, der koͤrperlichen und geiſtigen Vermoͤgen
und Neigungen im Staat beruͤckſichtigt, jedes fand
ſeine Stelle. Auch dann, als ſpaͤterhin die alte Ord¬
nung der neuen Entwicklung nicht mehr entſprach,
als die Freiheit die alten Formen zerbrach und hier
der alte Zug der Natur wieder neue Formen bildete,
oder die Gewalt die Maſſen zuſammenſchmiedete, be¬
hielt hier naturgemaͤß, dort zu Gunſten des Gewalt¬
habers, die natuͤrliche Sonderung der Menſchen ih¬
ren Ausdruck im Staate.
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