Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.ein moralisches Mauthsystem einrichten, ja der Sonne Die Cultur ist so gemeinsam, wie das Licht, Wenn es manches gibt, was nur eine Nation ein moraliſches Mauthſyſtem einrichten, ja der Sonne Die Cultur iſt ſo gemeinſam, wie das Licht, Wenn es manches gibt, was nur eine Nation <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0053" n="43"/> ein moraliſches Mauthſyſtem einrichten, ja der Sonne<lb/> ſelbſt gebieten moͤchten, nur uͤber Deutſchland zu<lb/> leuchten.</p><lb/> <p>Die Cultur iſt ſo gemeinſam, wie das Licht,<lb/> und ihr ſegensreicher Einfluß verbreitet ſich unter<lb/> climatiſchen Modifikationen doch allwaͤrts auf dem<lb/> Erdenrund. Nirgends ſind unuͤberſteigliche Grenzen<lb/> gezogen. Der Handel verbindet alle Laͤnder und<lb/> verbreitet die materiellen Produkte derſelben. Die<lb/> Literatur ſoll auf gleiche Weiſe die geiſtigen Schaͤtze<lb/> der Voͤlker ausſtreuen. Jedes Land ſoll von dem an¬<lb/> dern annehmen, was ſeine Natur vertraͤgt und was<lb/> ihm Gedeihen bringt, und auch in den Geiſt eines<lb/> Volkes darf verpflanzt werden, was er vertraͤgt und<lb/> was ihn edler entwickelt.</p><lb/> <p>Wenn es manches gibt, was nur eine Nation<lb/> beſitzen kann, und wodurch ſie eben eigenthuͤmlich<lb/> wird, ſo gibt es viel hoͤhere Guͤter, die keinem aus¬<lb/> ſchließlich zukommen, und Eigenthum des geſammten<lb/> menſchlichen Geſchlechts ſind. Die Erſcheinung des<lb/> Chriſtenthums allein ſtraft den Puriſteneifer. Wir<lb/> muͤßten eigentlich die ganze Geſchichte zuruͤckſchrau¬<lb/> ben, um uns von fremden Einfluͤſſen zu reinigen, da<lb/> unſre ganze neuere Bildung auf der romaniſchen des<lb/> Mittelalters beruht. Wir muͤßten nackt in die Waͤl¬<lb/> der laufen, wenn wir uns von allem dem entkleiden<lb/> wollten, was wir von Fremden angenommen. Abge¬<lb/> ſehn aber von dem nothwendigen, in der Natur be¬<lb/> gruͤndeten und in der Geſchichte uralten, wechſelſei¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [43/0053]
ein moraliſches Mauthſyſtem einrichten, ja der Sonne
ſelbſt gebieten moͤchten, nur uͤber Deutſchland zu
leuchten.
Die Cultur iſt ſo gemeinſam, wie das Licht,
und ihr ſegensreicher Einfluß verbreitet ſich unter
climatiſchen Modifikationen doch allwaͤrts auf dem
Erdenrund. Nirgends ſind unuͤberſteigliche Grenzen
gezogen. Der Handel verbindet alle Laͤnder und
verbreitet die materiellen Produkte derſelben. Die
Literatur ſoll auf gleiche Weiſe die geiſtigen Schaͤtze
der Voͤlker ausſtreuen. Jedes Land ſoll von dem an¬
dern annehmen, was ſeine Natur vertraͤgt und was
ihm Gedeihen bringt, und auch in den Geiſt eines
Volkes darf verpflanzt werden, was er vertraͤgt und
was ihn edler entwickelt.
Wenn es manches gibt, was nur eine Nation
beſitzen kann, und wodurch ſie eben eigenthuͤmlich
wird, ſo gibt es viel hoͤhere Guͤter, die keinem aus¬
ſchließlich zukommen, und Eigenthum des geſammten
menſchlichen Geſchlechts ſind. Die Erſcheinung des
Chriſtenthums allein ſtraft den Puriſteneifer. Wir
muͤßten eigentlich die ganze Geſchichte zuruͤckſchrau¬
ben, um uns von fremden Einfluͤſſen zu reinigen, da
unſre ganze neuere Bildung auf der romaniſchen des
Mittelalters beruht. Wir muͤßten nackt in die Waͤl¬
der laufen, wenn wir uns von allem dem entkleiden
wollten, was wir von Fremden angenommen. Abge¬
ſehn aber von dem nothwendigen, in der Natur be¬
gruͤndeten und in der Geſchichte uralten, wechſelſei¬
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