Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.gewisse Resignatinn ist nothwendig, wenn wir voll¬ Es ist indeß nicht nur jene philosophische Rich¬ gewiſſe Reſignatinn iſt nothwendig, wenn wir voll¬ Es iſt indeß nicht nur jene philoſophiſche Rich¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0055" n="45"/> gewiſſe Reſignatinn iſt nothwendig, wenn wir voll¬<lb/> kommen fuͤr das Fremde empfaͤnglich werden ſollen.<lb/> Unterſuchen wir die Hinderniſſe, welche bei ſo vielen<lb/> Voͤlkern die Fortſchritte der Cultur aufgehalten ha¬<lb/> ben, ſo werden wir ſie weniger in der Rohheit der¬<lb/> ſelben, als in der Selbſtzufriedenheit und in den<lb/> Vorurtheilen ihres Nationalſtolzes finden. Immer aber<lb/> ſind je die edelſten Voͤlker zugleich die toleranteſten<lb/> geweſen, und die niedrigſten immer die eitelſten.</p><lb/> <p>Es iſt indeß nicht nur jene philoſophiſche Rich¬<lb/> tung unſers Charakters, die Bildungsfaͤhigkeit und<lb/> Wißbegier, der Entwicklungstrieb und das ideale<lb/> Streben, ſondern auch eine poetiſche Richtung, ein<lb/><hi rendition="#g">romantiſcher Hang</hi>, der uns das Fremde lieben<lb/> macht. Eine poetiſche Illuſion ſchwebt verſchoͤnernd<lb/> um alles Fremde und nimmt unſre Phantaſie gefan¬<lb/> gen. Was nur fremd iſt, erweckt eine romantiſche<lb/> Stimmung in uns, ſelbſt wenn es ſchlechter iſt, als<lb/> was wir laͤngſt ſelber haben. Darum nehmen wir ſo<lb/> vieles von Fremden an, was uns keineswegs in unſ¬<lb/> rer Entwicklung weiter bringt, und die Einbildung<lb/> macht erſt eine Neigung verderblich, die der Verſtand<lb/> billigen muß, indem er ſie ermaͤßigt. Wenn die Ein¬<lb/> bildung einmal uͤbertreibt, ſo begehn wir immer zwei<lb/> Fehler zugleich, den der blinden, ſklaviſchen Hinge¬<lb/> bung an das Fremde und den einer blinden Verken¬<lb/> nung unſrer ſelbſt. Wir beſitzen die poetiſche Gabe,<lb/> uns zu myſtificiren, uns gleichſam in dramatiſche<lb/> Perſonen zu verwandeln und einer fremden Illuſion<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [45/0055]
gewiſſe Reſignatinn iſt nothwendig, wenn wir voll¬
kommen fuͤr das Fremde empfaͤnglich werden ſollen.
Unterſuchen wir die Hinderniſſe, welche bei ſo vielen
Voͤlkern die Fortſchritte der Cultur aufgehalten ha¬
ben, ſo werden wir ſie weniger in der Rohheit der¬
ſelben, als in der Selbſtzufriedenheit und in den
Vorurtheilen ihres Nationalſtolzes finden. Immer aber
ſind je die edelſten Voͤlker zugleich die toleranteſten
geweſen, und die niedrigſten immer die eitelſten.
Es iſt indeß nicht nur jene philoſophiſche Rich¬
tung unſers Charakters, die Bildungsfaͤhigkeit und
Wißbegier, der Entwicklungstrieb und das ideale
Streben, ſondern auch eine poetiſche Richtung, ein
romantiſcher Hang, der uns das Fremde lieben
macht. Eine poetiſche Illuſion ſchwebt verſchoͤnernd
um alles Fremde und nimmt unſre Phantaſie gefan¬
gen. Was nur fremd iſt, erweckt eine romantiſche
Stimmung in uns, ſelbſt wenn es ſchlechter iſt, als
was wir laͤngſt ſelber haben. Darum nehmen wir ſo
vieles von Fremden an, was uns keineswegs in unſ¬
rer Entwicklung weiter bringt, und die Einbildung
macht erſt eine Neigung verderblich, die der Verſtand
billigen muß, indem er ſie ermaͤßigt. Wenn die Ein¬
bildung einmal uͤbertreibt, ſo begehn wir immer zwei
Fehler zugleich, den der blinden, ſklaviſchen Hinge¬
bung an das Fremde und den einer blinden Verken¬
nung unſrer ſelbſt. Wir beſitzen die poetiſche Gabe,
uns zu myſtificiren, uns gleichſam in dramatiſche
Perſonen zu verwandeln und einer fremden Illuſion
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