Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Mehrzahl der Buchhändler sind nur Krä¬
mer, denen es größtentheils einerlei ist, ob sie mit
Korn oder mit Wahrheit, mit Zucker oder mit Ro¬
manen, mit Pfeffer oder mit Satyren handeln, wenn
sie nur Geld verdienen. Der Buchhändler ist ent¬
weder Fabrikant oder Spediteur oder beides zugleich.
Die Bücher sind seine Waare. Sein Zweck ist Ge¬
winn, das Mittel dazu nicht absolute, sondern rela¬
tive Güte der Waare, und diese richtet sich nach
dem Bedürfniß der Käufer. Was die meisten Käu¬
fer findet, ist für den Buchhändler gute Waare,
wenn es auch ein Schandfleck der Literatur wäre.
Was keinen Käufer findet, ist schlechte Waare, und
wären es Offenbarungen aus allen sieben Himmeln.
Soll ein Buch Käufer finden, so muß es dem be¬
kannten Geschmack des Publicums angemessen seyn,
oder seinen Neigungen und Schwächen schmeicheln
und eine neue Mode erzeugen können. Deswegen
begünstigen die Verleger das Triviale und das Aben¬
teuerliche. Soll das Publicum wissen, daß das Buch
seinem Geschmack entspricht, so muß der Titel es an¬
locken. Deswegen ist dem Verleger ein guter Titel
mehr werth, als ein gutes Buch, oder dieses nur
durch jenen, und es entsteht ein Wetteifer unter den
Buchhändlern, die schmeichelhaftesten Titel auszuhe¬
cken. Woher nimmt aber der Verleger solche Waare,
die er für gut erkennt? Sie wächst nicht so häufig
wild, als er dadurch reich werden könnte. Sie muß
also durch Kunst erzeugt werden. Es wird also statt

Die Mehrzahl der Buchhaͤndler ſind nur Kraͤ¬
mer, denen es groͤßtentheils einerlei iſt, ob ſie mit
Korn oder mit Wahrheit, mit Zucker oder mit Ro¬
manen, mit Pfeffer oder mit Satyren handeln, wenn
ſie nur Geld verdienen. Der Buchhaͤndler iſt ent¬
weder Fabrikant oder Spediteur oder beides zugleich.
Die Buͤcher ſind ſeine Waare. Sein Zweck iſt Ge¬
winn, das Mittel dazu nicht abſolute, ſondern rela¬
tive Guͤte der Waare, und dieſe richtet ſich nach
dem Beduͤrfniß der Kaͤufer. Was die meiſten Kaͤu¬
fer findet, iſt fuͤr den Buchhaͤndler gute Waare,
wenn es auch ein Schandfleck der Literatur waͤre.
Was keinen Kaͤufer findet, iſt ſchlechte Waare, und
waͤren es Offenbarungen aus allen ſieben Himmeln.
Soll ein Buch Kaͤufer finden, ſo muß es dem be¬
kannten Geſchmack des Publicums angemeſſen ſeyn,
oder ſeinen Neigungen und Schwaͤchen ſchmeicheln
und eine neue Mode erzeugen koͤnnen. Deswegen
beguͤnſtigen die Verleger das Triviale und das Aben¬
teuerliche. Soll das Publicum wiſſen, daß das Buch
ſeinem Geſchmack entſpricht, ſo muß der Titel es an¬
locken. Deswegen iſt dem Verleger ein guter Titel
mehr werth, als ein gutes Buch, oder dieſes nur
durch jenen, und es entſteht ein Wetteifer unter den
Buchhaͤndlern, die ſchmeichelhafteſten Titel auszuhe¬
cken. Woher nimmt aber der Verleger ſolche Waare,
die er fuͤr gut erkennt? Sie waͤchst nicht ſo haͤufig
wild, als er dadurch reich werden koͤnnte. Sie muß
alſo durch Kunſt erzeugt werden. Es wird alſo ſtatt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0068" n="58"/>
        <p>Die Mehrzahl der Buchha&#x0364;ndler &#x017F;ind nur Kra&#x0364;¬<lb/>
mer, denen es gro&#x0364;ßtentheils einerlei i&#x017F;t, ob &#x017F;ie mit<lb/>
Korn oder mit Wahrheit, mit Zucker oder mit Ro¬<lb/>
manen, mit Pfeffer oder mit Satyren handeln, wenn<lb/>
&#x017F;ie nur Geld verdienen. Der Buchha&#x0364;ndler i&#x017F;t ent¬<lb/>
weder Fabrikant oder Spediteur oder beides zugleich.<lb/>
Die Bu&#x0364;cher &#x017F;ind &#x017F;eine Waare. Sein Zweck i&#x017F;t Ge¬<lb/>
winn, das Mittel dazu nicht ab&#x017F;olute, &#x017F;ondern rela¬<lb/>
tive Gu&#x0364;te der Waare, und die&#x017F;e richtet &#x017F;ich nach<lb/>
dem Bedu&#x0364;rfniß der Ka&#x0364;ufer. Was die mei&#x017F;ten Ka&#x0364;<lb/>
fer findet, i&#x017F;t fu&#x0364;r den Buchha&#x0364;ndler gute Waare,<lb/>
wenn es auch ein Schandfleck der Literatur wa&#x0364;re.<lb/>
Was keinen Ka&#x0364;ufer findet, i&#x017F;t &#x017F;chlechte Waare, und<lb/>
wa&#x0364;ren es Offenbarungen aus allen &#x017F;ieben Himmeln.<lb/>
Soll ein Buch Ka&#x0364;ufer finden, &#x017F;o muß es dem be¬<lb/>
kannten Ge&#x017F;chmack des Publicums angeme&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eyn,<lb/>
oder &#x017F;einen Neigungen und Schwa&#x0364;chen &#x017F;chmeicheln<lb/>
und eine neue Mode erzeugen ko&#x0364;nnen. Deswegen<lb/>
begu&#x0364;n&#x017F;tigen die Verleger das Triviale und das Aben¬<lb/>
teuerliche. Soll das Publicum wi&#x017F;&#x017F;en, daß das Buch<lb/>
&#x017F;einem Ge&#x017F;chmack ent&#x017F;pricht, &#x017F;o muß der Titel es an¬<lb/>
locken. Deswegen i&#x017F;t dem Verleger ein guter Titel<lb/>
mehr werth, als ein gutes Buch, oder die&#x017F;es nur<lb/>
durch jenen, und es ent&#x017F;teht ein Wetteifer unter den<lb/>
Buchha&#x0364;ndlern, die &#x017F;chmeichelhafte&#x017F;ten Titel auszuhe¬<lb/>
cken. Woher nimmt aber der Verleger &#x017F;olche Waare,<lb/>
die er fu&#x0364;r gut erkennt? Sie wa&#x0364;chst nicht &#x017F;o ha&#x0364;ufig<lb/>
wild, als er dadurch reich werden ko&#x0364;nnte. Sie muß<lb/>
al&#x017F;o durch Kun&#x017F;t erzeugt werden. Es wird al&#x017F;o &#x017F;tatt<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0068] Die Mehrzahl der Buchhaͤndler ſind nur Kraͤ¬ mer, denen es groͤßtentheils einerlei iſt, ob ſie mit Korn oder mit Wahrheit, mit Zucker oder mit Ro¬ manen, mit Pfeffer oder mit Satyren handeln, wenn ſie nur Geld verdienen. Der Buchhaͤndler iſt ent¬ weder Fabrikant oder Spediteur oder beides zugleich. Die Buͤcher ſind ſeine Waare. Sein Zweck iſt Ge¬ winn, das Mittel dazu nicht abſolute, ſondern rela¬ tive Guͤte der Waare, und dieſe richtet ſich nach dem Beduͤrfniß der Kaͤufer. Was die meiſten Kaͤu¬ fer findet, iſt fuͤr den Buchhaͤndler gute Waare, wenn es auch ein Schandfleck der Literatur waͤre. Was keinen Kaͤufer findet, iſt ſchlechte Waare, und waͤren es Offenbarungen aus allen ſieben Himmeln. Soll ein Buch Kaͤufer finden, ſo muß es dem be¬ kannten Geſchmack des Publicums angemeſſen ſeyn, oder ſeinen Neigungen und Schwaͤchen ſchmeicheln und eine neue Mode erzeugen koͤnnen. Deswegen beguͤnſtigen die Verleger das Triviale und das Aben¬ teuerliche. Soll das Publicum wiſſen, daß das Buch ſeinem Geſchmack entſpricht, ſo muß der Titel es an¬ locken. Deswegen iſt dem Verleger ein guter Titel mehr werth, als ein gutes Buch, oder dieſes nur durch jenen, und es entſteht ein Wetteifer unter den Buchhaͤndlern, die ſchmeichelhafteſten Titel auszuhe¬ cken. Woher nimmt aber der Verleger ſolche Waare, die er fuͤr gut erkennt? Sie waͤchst nicht ſo haͤufig wild, als er dadurch reich werden koͤnnte. Sie muß alſo durch Kunſt erzeugt werden. Es wird alſo ſtatt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/68
Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/68>, abgerufen am 24.11.2024.