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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

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gelt uns vor, daß wir es nimmer finden können, und
lenkt unsre bildende Kraft auf das Nichtige. Dieser
Verstand selbst entbehrt jener höhern Weihe des Glau¬
bens und sucht in ängstlicher Hast ihn aus sich sel¬
ber zu erzeugen als Überzeugung, wie das Facit
einer Rechnung, und läßt, was er gewonnen, immer
wieder fahren und sucht weiter, was er niemals fin¬
den wird. Da denkt er mit geheimer Angst und
nicht ohne Neid an eine Zeit zurück, da der Glaube
noch den Begriff beseelte, da das Göttliche noch auf
mystische Weise verbunden war mit den Gedanken,
und eine heilige Ruhe und Zuversicht in den Den¬
kenden wohnte. Das Gefühl endlich, das jetzt bis
zur Verzweiflung sich verirrt, möchte zurückflüchten
in eine Zeit, da es der Glaube noch beseelte, da das
Göttliche noch auf mystische Weise sich ihm offen¬
barte und ein inniges starkes Band des Vertrauens
um die Seelen schlang, und das gläubige Gemüth
zu Entschließungen und Thaten begeisterte, welche
das Blüthenalter des menschlichen Geschlechts be¬
zeichnen. Allen aber muß die Einheit alles Lebens
im Glauben, wie jene Zeit es offenbart, das höchste
Wunder dünken. Bild, Gedanke, Gefühl durchdran¬
gen sich überall. Was das Auge sah, empfand das
Herz; was das Ohr vernahm, klang in den tiefen
Seelen an. Und des Gedankens kühnsten und fein¬
sten Getriebe waren wie Gold durchglüht vom Feuer
religiöser Begeisterung. So war in engorganischer
Verbindung eine Kraft mit der andern verschlungen.

gelt uns vor, daß wir es nimmer finden koͤnnen, und
lenkt unſre bildende Kraft auf das Nichtige. Dieſer
Verſtand ſelbſt entbehrt jener hoͤhern Weihe des Glau¬
bens und ſucht in aͤngſtlicher Haſt ihn aus ſich ſel¬
ber zu erzeugen als Überzeugung, wie das Facit
einer Rechnung, und laͤßt, was er gewonnen, immer
wieder fahren und ſucht weiter, was er niemals fin¬
den wird. Da denkt er mit geheimer Angſt und
nicht ohne Neid an eine Zeit zuruͤck, da der Glaube
noch den Begriff beſeelte, da das Goͤttliche noch auf
myſtiſche Weiſe verbunden war mit den Gedanken,
und eine heilige Ruhe und Zuverſicht in den Den¬
kenden wohnte. Das Gefuͤhl endlich, das jetzt bis
zur Verzweiflung ſich verirrt, moͤchte zuruͤckfluͤchten
in eine Zeit, da es der Glaube noch beſeelte, da das
Goͤttliche noch auf myſtiſche Weiſe ſich ihm offen¬
barte und ein inniges ſtarkes Band des Vertrauens
um die Seelen ſchlang, und das glaͤubige Gemuͤth
zu Entſchließungen und Thaten begeiſterte, welche
das Bluͤthenalter des menſchlichen Geſchlechts be¬
zeichnen. Allen aber muß die Einheit alles Lebens
im Glauben, wie jene Zeit es offenbart, das hoͤchſte
Wunder duͤnken. Bild, Gedanke, Gefuͤhl durchdran¬
gen ſich uͤberall. Was das Auge ſah, empfand das
Herz; was das Ohr vernahm, klang in den tiefen
Seelen an. Und des Gedankens kuͤhnſten und fein¬
ſten Getriebe waren wie Gold durchgluͤht vom Feuer
religioͤſer Begeiſterung. So war in engorganiſcher
Verbindung eine Kraft mit der andern verſchlungen.

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[87/0097] gelt uns vor, daß wir es nimmer finden koͤnnen, und lenkt unſre bildende Kraft auf das Nichtige. Dieſer Verſtand ſelbſt entbehrt jener hoͤhern Weihe des Glau¬ bens und ſucht in aͤngſtlicher Haſt ihn aus ſich ſel¬ ber zu erzeugen als Überzeugung, wie das Facit einer Rechnung, und laͤßt, was er gewonnen, immer wieder fahren und ſucht weiter, was er niemals fin¬ den wird. Da denkt er mit geheimer Angſt und nicht ohne Neid an eine Zeit zuruͤck, da der Glaube noch den Begriff beſeelte, da das Goͤttliche noch auf myſtiſche Weiſe verbunden war mit den Gedanken, und eine heilige Ruhe und Zuverſicht in den Den¬ kenden wohnte. Das Gefuͤhl endlich, das jetzt bis zur Verzweiflung ſich verirrt, moͤchte zuruͤckfluͤchten in eine Zeit, da es der Glaube noch beſeelte, da das Goͤttliche noch auf myſtiſche Weiſe ſich ihm offen¬ barte und ein inniges ſtarkes Band des Vertrauens um die Seelen ſchlang, und das glaͤubige Gemuͤth zu Entſchließungen und Thaten begeiſterte, welche das Bluͤthenalter des menſchlichen Geſchlechts be¬ zeichnen. Allen aber muß die Einheit alles Lebens im Glauben, wie jene Zeit es offenbart, das hoͤchſte Wunder duͤnken. Bild, Gedanke, Gefuͤhl durchdran¬ gen ſich uͤberall. Was das Auge ſah, empfand das Herz; was das Ohr vernahm, klang in den tiefen Seelen an. Und des Gedankens kuͤhnſten und fein¬ ſten Getriebe waren wie Gold durchgluͤht vom Feuer religioͤſer Begeiſterung. So war in engorganiſcher Verbindung eine Kraft mit der andern verſchlungen.

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/97>, abgerufen am 21.11.2024.