Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.Das Göttliche, das dem Sinne als Wesenheit er¬ Vermöge des inwohnenden Pflegmas zog aber Das Goͤttliche, das dem Sinne als Weſenheit er¬ Vermoͤge des inwohnenden Pflegmas zog aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0098" n="88"/> Das Goͤttliche, das dem Sinne als Weſenheit er¬<lb/> ſchien, offenbarte ſich dem Verſtande zugleich als<lb/> Nothwendigkeit und dem Gemuͤth als Liebe. Gott<lb/> war etwas wirkliches, etwas nicht allein, aber <hi rendition="#g">auch</hi><lb/> ſinnliches. Das Syſtem des Cultus, der Heiligen<lb/> und Wunder erweiterte ſich bis zum Pantheismus.<lb/> Man unterſuchte jedoch zugleich die innere logiſche<lb/> Conſequenz des Goͤttlichen. Endlich war die pieti¬<lb/> ſtiſche Gluth des Herzensglanbens damals noch auf's<lb/> innigſte mit dem aͤußern Cultus und mit der Scho¬<lb/> laſtik vermaͤhlt. Sinn, Verſtand und Gefuͤhl durch¬<lb/> drangen ſich auf myſtiſche Weiſe in der Idee, und<lb/> das ganze Syſtem war myſtiſcher Idealismus, Ur¬<lb/> einheit der Ideen Weſenheit, Nothwendigkeit und<lb/> Liebe in der Idee Gottes.</p><lb/> <p>Vermoͤge des inwohnenden Pflegmas zog aber<lb/> der Sinn die Menſchen abwaͤrts und loͤſte das ſchoͤne<lb/> Band auf. Einſeitig in grobe Sinnlichkeit entartend,<lb/> ſtieß der Katholicismus Verſtand und Gemuͤth von<lb/> ſich, und es geſchah der ungeheure Riß wie in den<lb/> Geiſtern, ſo in der Geſchichte der Voͤlker. Mit der<lb/> Einheit war auch die Idee entwichen und das my¬<lb/> ſtiſche Wunder. Dennoch ſollen wir dieſen Wandel<lb/> nicht beklagen, noch in thoͤrichter Selbſtverlaͤugnung<lb/> die hoͤhere Bedeutung der neuen Entwicklung verken¬<lb/> nen. Die Idee iſt an keine Zeit gebunden, und wir<lb/> werden ſie auf einer hoͤhern Stufe wiedergewinnen.<lb/> Auf jener Stufe war ſie noch unvollkommen entwi¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [88/0098]
Das Goͤttliche, das dem Sinne als Weſenheit er¬
ſchien, offenbarte ſich dem Verſtande zugleich als
Nothwendigkeit und dem Gemuͤth als Liebe. Gott
war etwas wirkliches, etwas nicht allein, aber auch
ſinnliches. Das Syſtem des Cultus, der Heiligen
und Wunder erweiterte ſich bis zum Pantheismus.
Man unterſuchte jedoch zugleich die innere logiſche
Conſequenz des Goͤttlichen. Endlich war die pieti¬
ſtiſche Gluth des Herzensglanbens damals noch auf's
innigſte mit dem aͤußern Cultus und mit der Scho¬
laſtik vermaͤhlt. Sinn, Verſtand und Gefuͤhl durch¬
drangen ſich auf myſtiſche Weiſe in der Idee, und
das ganze Syſtem war myſtiſcher Idealismus, Ur¬
einheit der Ideen Weſenheit, Nothwendigkeit und
Liebe in der Idee Gottes.
Vermoͤge des inwohnenden Pflegmas zog aber
der Sinn die Menſchen abwaͤrts und loͤſte das ſchoͤne
Band auf. Einſeitig in grobe Sinnlichkeit entartend,
ſtieß der Katholicismus Verſtand und Gemuͤth von
ſich, und es geſchah der ungeheure Riß wie in den
Geiſtern, ſo in der Geſchichte der Voͤlker. Mit der
Einheit war auch die Idee entwichen und das my¬
ſtiſche Wunder. Dennoch ſollen wir dieſen Wandel
nicht beklagen, noch in thoͤrichter Selbſtverlaͤugnung
die hoͤhere Bedeutung der neuen Entwicklung verken¬
nen. Die Idee iſt an keine Zeit gebunden, und wir
werden ſie auf einer hoͤhern Stufe wiedergewinnen.
Auf jener Stufe war ſie noch unvollkommen entwi¬
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