lich ist. Man hat alles romantisch genannt, was nicht antik ist, und da man unter dem Antiken das Regelmäßige verstand, das Romantische aber das Unregelmäßige, es als eine Art von Naturpoesie be¬ zeichnet. Man nennt wieder insbesondere das Wun¬ derbare romantisch, das Dämmernde, das Helldunkel, und in diesem Sinne spricht man von romantischen Gegenden, Momenten, Stimmungen, Hoffnungen. Endlich hat man in neuesten Zeiten das Volksthüm¬ liche romantisch zu nennen beliebt, und demzufolge selbst die alten Griechen in ihrer Art Romantiker genannt.
Der allgemeine Charakter des Romantischen, der auch allen jenen verschiednen Anwendungen dieses Namens zu Grunde liegt, besteht allerdings in etwas Wunderbarem und Geheimnißvollem, das der klaren Verständlichkeit der antiken Poesie, so wie der modernen entgegensteht. Dieses Wunderbare ist von religiösem Ursprung. Es beruht auf dem Glauben an das Übernatürliche, Übersinnliche, und hängt dar¬ um innig mit dem Christenthum zusammen. Die an¬ tike Poesie zog selbst das Wunderbare der Religion in den Kreis des Natürlichen, die romantische machte selbst aus dem Natürlichen etwas Wunderbares und Religiöses.
Wir bemerken im Allgemeinen eine fünffache Entwicklung des romantischen Geschmacks in der neuern Zeit, und in jeder erscheint dieses Wunder¬ bare auf eigne Weise. Von der echten alten roman¬
lich iſt. Man hat alles romantiſch genannt, was nicht antik iſt, und da man unter dem Antiken das Regelmaͤßige verſtand, das Romantiſche aber das Unregelmaͤßige, es als eine Art von Naturpoeſie be¬ zeichnet. Man nennt wieder insbeſondere das Wun¬ derbare romantiſch, das Daͤmmernde, das Helldunkel, und in dieſem Sinne ſpricht man von romantiſchen Gegenden, Momenten, Stimmungen, Hoffnungen. Endlich hat man in neueſten Zeiten das Volksthuͤm¬ liche romantiſch zu nennen beliebt, und demzufolge ſelbſt die alten Griechen in ihrer Art Romantiker genannt.
Der allgemeine Charakter des Romantiſchen, der auch allen jenen verſchiednen Anwendungen dieſes Namens zu Grunde liegt, beſteht allerdings in etwas Wunderbarem und Geheimnißvollem, das der klaren Verſtaͤndlichkeit der antiken Poeſie, ſo wie der modernen entgegenſteht. Dieſes Wunderbare iſt von religioͤſem Urſprung. Es beruht auf dem Glauben an das Übernatuͤrliche, Überſinnliche, und haͤngt dar¬ um innig mit dem Chriſtenthum zuſammen. Die an¬ tike Poeſie zog ſelbſt das Wunderbare der Religion in den Kreis des Natuͤrlichen, die romantiſche machte ſelbſt aus dem Natuͤrlichen etwas Wunderbares und Religioͤſes.
Wir bemerken im Allgemeinen eine fuͤnffache Entwicklung des romantiſchen Geſchmacks in der neuern Zeit, und in jeder erſcheint dieſes Wunder¬ bare auf eigne Weiſe. Von der echten alten roman¬
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lich iſt. Man hat alles romantiſch genannt, was
nicht antik iſt, und da man unter dem Antiken das
Regelmaͤßige verſtand, das Romantiſche aber das
Unregelmaͤßige, es als eine Art von Naturpoeſie be¬
zeichnet. Man nennt wieder insbeſondere das Wun¬
derbare romantiſch, das Daͤmmernde, das Helldunkel,
und in dieſem Sinne ſpricht man von romantiſchen
Gegenden, Momenten, Stimmungen, Hoffnungen.
Endlich hat man in neueſten Zeiten das Volksthuͤm¬
liche romantiſch zu nennen beliebt, und demzufolge
ſelbſt die alten Griechen in ihrer Art Romantiker
genannt.
Der allgemeine Charakter des Romantiſchen, der
auch allen jenen verſchiednen Anwendungen dieſes
Namens zu Grunde liegt, beſteht allerdings in etwas
Wunderbarem und Geheimnißvollem, das der
klaren Verſtaͤndlichkeit der antiken Poeſie, ſo wie der
modernen entgegenſteht. Dieſes Wunderbare iſt von
religioͤſem Urſprung. Es beruht auf dem Glauben
an das Übernatuͤrliche, Überſinnliche, und haͤngt dar¬
um innig mit dem Chriſtenthum zuſammen. Die an¬
tike Poeſie zog ſelbſt das Wunderbare der Religion
in den Kreis des Natuͤrlichen, die romantiſche machte
ſelbſt aus dem Natuͤrlichen etwas Wunderbares und
Religioͤſes.
Wir bemerken im Allgemeinen eine fuͤnffache
Entwicklung des romantiſchen Geſchmacks in der
neuern Zeit, und in jeder erſcheint dieſes Wunder¬
bare auf eigne Weiſe. Von der echten alten roman¬
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/104>, abgerufen am 27.11.2024.
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