verhält und mit sich machen läßt, was das Schick¬ sal will, so ist eigentlich das Schicksal selbst der Held geworden. Wir interessiren uns nur noch für die Thaten des Schicksals, für dessen schlaue, listige, grausame Possen, die es mit dem Menschen spielt. Der Dichter muß daher den Effect seiner Tragödie nicht durch den Charakter des Helden, sondern durch den Charakter des Schicksals zu bewirken suchen. Der Effect, der nicht mehr in der Würde des Helden zu erreichen ist, muß in dem künstlichen Plan, in der Sonderbarkeit und Grausamkeit des Schicksals er¬ reicht werden. Das Schicksal hat nichts mehr zu thun, als wie die Katze mit der gefangnen Maus zu spielen, und ihr zuletzt den Fang zu geben. Dies muß nun, wenn es gefällig seyn soll, auf eine recht umständliche und möglichst grausame Weise geschehen. Je tückischer sie mit ihr spielt, je länger sie dem ar¬ men Mäuschen die tödtliche Tatze verbirgt, je künst¬ licher die Sprünge angelegt sind, bis endlich die Un¬ glückliche den salto mortale in den aufgesperrten Ra¬ chen macht, desto mehr macht das ganze Spiel Effect. Die Dichter wetteifern daher nicht, den tragischen Helden größer und würdiger zu behandeln, sondern nur die Hinrichtung desselben künstlicher und marter¬ voller zu verlängern.
Sie wählen daher auch ihre Helden nicht aus dem Plutarch, sondern aus den Criminalgeschichten, die man dem Bürger- und Bauersmann zur War¬ nung in die Kalender setzt. Dolch, Gift, Selbst¬
verhaͤlt und mit ſich machen laͤßt, was das Schick¬ ſal will, ſo iſt eigentlich das Schickſal ſelbſt der Held geworden. Wir intereſſiren uns nur noch fuͤr die Thaten des Schickſals, fuͤr deſſen ſchlaue, liſtige, grauſame Poſſen, die es mit dem Menſchen ſpielt. Der Dichter muß daher den Effect ſeiner Tragoͤdie nicht durch den Charakter des Helden, ſondern durch den Charakter des Schickſals zu bewirken ſuchen. Der Effect, der nicht mehr in der Wuͤrde des Helden zu erreichen iſt, muß in dem kuͤnſtlichen Plan, in der Sonderbarkeit und Grauſamkeit des Schickſals er¬ reicht werden. Das Schickſal hat nichts mehr zu thun, als wie die Katze mit der gefangnen Maus zu ſpielen, und ihr zuletzt den Fang zu geben. Dies muß nun, wenn es gefaͤllig ſeyn ſoll, auf eine recht umſtaͤndliche und moͤglichſt grauſame Weiſe geſchehen. Je tuͤckiſcher ſie mit ihr ſpielt, je laͤnger ſie dem ar¬ men Maͤuschen die toͤdtliche Tatze verbirgt, je kuͤnſt¬ licher die Spruͤnge angelegt ſind, bis endlich die Un¬ gluͤckliche den salto mortale in den aufgeſperrten Ra¬ chen macht, deſto mehr macht das ganze Spiel Effect. Die Dichter wetteifern daher nicht, den tragiſchen Helden groͤßer und wuͤrdiger zu behandeln, ſondern nur die Hinrichtung deſſelben kuͤnſtlicher und marter¬ voller zu verlaͤngern.
Sie waͤhlen daher auch ihre Helden nicht aus dem Plutarch, ſondern aus den Criminalgeſchichten, die man dem Buͤrger- und Bauersmann zur War¬ nung in die Kalender ſetzt. Dolch, Gift, Selbſt¬
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verhaͤlt und mit ſich machen laͤßt, was das Schick¬
ſal will, ſo iſt eigentlich das Schickſal ſelbſt der Held
geworden. Wir intereſſiren uns nur noch fuͤr die
Thaten des Schickſals, fuͤr deſſen ſchlaue, liſtige,
grauſame Poſſen, die es mit dem Menſchen ſpielt.
Der Dichter muß daher den Effect ſeiner Tragoͤdie
nicht durch den Charakter des Helden, ſondern durch
den Charakter des Schickſals zu bewirken ſuchen. Der
Effect, der nicht mehr in der Wuͤrde des Helden zu
erreichen iſt, muß in dem kuͤnſtlichen Plan, in der
Sonderbarkeit und Grauſamkeit des Schickſals er¬
reicht werden. Das Schickſal hat nichts mehr zu
thun, als wie die Katze mit der gefangnen Maus
zu ſpielen, und ihr zuletzt den Fang zu geben. Dies
muß nun, wenn es gefaͤllig ſeyn ſoll, auf eine recht
umſtaͤndliche und moͤglichſt grauſame Weiſe geſchehen.
Je tuͤckiſcher ſie mit ihr ſpielt, je laͤnger ſie dem ar¬
men Maͤuschen die toͤdtliche Tatze verbirgt, je kuͤnſt¬
licher die Spruͤnge angelegt ſind, bis endlich die Un¬
gluͤckliche den salto mortale in den aufgeſperrten Ra¬
chen macht, deſto mehr macht das ganze Spiel Effect.
Die Dichter wetteifern daher nicht, den tragiſchen
Helden groͤßer und wuͤrdiger zu behandeln, ſondern
nur die Hinrichtung deſſelben kuͤnſtlicher und marter¬
voller zu verlaͤngern.
Sie waͤhlen daher auch ihre Helden nicht aus
dem Plutarch, ſondern aus den Criminalgeſchichten,
die man dem Buͤrger- und Bauersmann zur War¬
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/120>, abgerufen am 25.11.2024.
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