ser fatalistischen Ansicht vergleicht. Dort hat doch der Mensch noch eine freie Wahl, und die dunkle Macht muß sich um ihn bewerben. Es gibt einen heldenmüthigen Kampf, wie der Sinframs gegen seine Gefährten, oder ein ehrliches Pactum, wie zwischen Faust und Mephistophel. Hier aber hat der Held weder eine Wahl, noch einen Genuß dabei, und die dunkle Macht selbst hat nicht das Vergnügen, den starken Geist im Menschen, seine Heldenkraft oder seine Weisheit zu bekämpfen, und nicht den Triumph eines Sieges, sondern nur ein geistloses Spiel mit Puppen. Dem Teufel selbst müßte dieses Spiel, wo¬ bei er nichts zu verführen, nichts zu überlisten, keine heilige Kraft zu entweihen, keinen Engel fallen zu machen, sondern nur an längst gelieferten Subjecten das Henkeramt zu vollziehn hätte, sehr langweilig vorkommen.
Das Schicksal selbst erscheint demzufolge hier eben so verändert als der Held. Wie der Held seine ur¬ sprüngliche Bedeutung verloren hat, so auch das Schicksal. Es ist nicht mehr die heilige Nothwendig¬ keit, die blinde Naturgewalt, die ewige Schranke des allzukühnen Helden, sondern es ist eine spielende Willkür geworden. Es ist nicht mehr erhaben, weil es keinen Widerstand mehr findet, sondern kleinlich, weil es nur mit Puppen spielt. Da es selbst aber allein handelt, und zwar nach einem willkürlichen Plan, den es in irgend einem Fluch aussäet, der Held aber nicht mehr handelt, sondern sich passiv
ſer fataliſtiſchen Anſicht vergleicht. Dort hat doch der Menſch noch eine freie Wahl, und die dunkle Macht muß ſich um ihn bewerben. Es gibt einen heldenmuͤthigen Kampf, wie der Sinframs gegen ſeine Gefaͤhrten, oder ein ehrliches Pactum, wie zwiſchen Fauſt und Mephiſtophel. Hier aber hat der Held weder eine Wahl, noch einen Genuß dabei, und die dunkle Macht ſelbſt hat nicht das Vergnuͤgen, den ſtarken Geiſt im Menſchen, ſeine Heldenkraft oder ſeine Weisheit zu bekaͤmpfen, und nicht den Triumph eines Sieges, ſondern nur ein geiſtloſes Spiel mit Puppen. Dem Teufel ſelbſt muͤßte dieſes Spiel, wo¬ bei er nichts zu verfuͤhren, nichts zu uͤberliſten, keine heilige Kraft zu entweihen, keinen Engel fallen zu machen, ſondern nur an laͤngſt gelieferten Subjecten das Henkeramt zu vollziehn haͤtte, ſehr langweilig vorkommen.
Das Schickſal ſelbſt erſcheint demzufolge hier eben ſo veraͤndert als der Held. Wie der Held ſeine ur¬ ſpruͤngliche Bedeutung verloren hat, ſo auch das Schickſal. Es iſt nicht mehr die heilige Nothwendig¬ keit, die blinde Naturgewalt, die ewige Schranke des allzukuͤhnen Helden, ſondern es iſt eine ſpielende Willkuͤr geworden. Es iſt nicht mehr erhaben, weil es keinen Widerſtand mehr findet, ſondern kleinlich, weil es nur mit Puppen ſpielt. Da es ſelbſt aber allein handelt, und zwar nach einem willkuͤrlichen Plan, den es in irgend einem Fluch ausſaͤet, der Held aber nicht mehr handelt, ſondern ſich paſſiv
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ſer fataliſtiſchen Anſicht vergleicht. Dort hat doch
der Menſch noch eine freie Wahl, und die dunkle
Macht muß ſich um ihn bewerben. Es gibt einen
heldenmuͤthigen Kampf, wie der Sinframs gegen ſeine
Gefaͤhrten, oder ein ehrliches Pactum, wie zwiſchen
Fauſt und Mephiſtophel. Hier aber hat der Held
weder eine Wahl, noch einen Genuß dabei, und die
dunkle Macht ſelbſt hat nicht das Vergnuͤgen, den
ſtarken Geiſt im Menſchen, ſeine Heldenkraft oder
ſeine Weisheit zu bekaͤmpfen, und nicht den Triumph
eines Sieges, ſondern nur ein geiſtloſes Spiel mit
Puppen. Dem Teufel ſelbſt muͤßte dieſes Spiel, wo¬
bei er nichts zu verfuͤhren, nichts zu uͤberliſten, keine
heilige Kraft zu entweihen, keinen Engel fallen zu
machen, ſondern nur an laͤngſt gelieferten Subjecten
das Henkeramt zu vollziehn haͤtte, ſehr langweilig
vorkommen.
Das Schickſal ſelbſt erſcheint demzufolge hier eben
ſo veraͤndert als der Held. Wie der Held ſeine ur¬
ſpruͤngliche Bedeutung verloren hat, ſo auch das
Schickſal. Es iſt nicht mehr die heilige Nothwendig¬
keit, die blinde Naturgewalt, die ewige Schranke
des allzukuͤhnen Helden, ſondern es iſt eine ſpielende
Willkuͤr geworden. Es iſt nicht mehr erhaben, weil
es keinen Widerſtand mehr findet, ſondern kleinlich,
weil es nur mit Puppen ſpielt. Da es ſelbſt aber
allein handelt, und zwar nach einem willkuͤrlichen
Plan, den es in irgend einem Fluch ausſaͤet, der
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/119>, abgerufen am 25.11.2024.
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