Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.Natur. Seine Helden haben alle etwas von der ge¬ Der größte unter den poetischen Idealisten war Schiller hat seine ganze poetische Kraft in die Natur. Seine Helden haben alle etwas von der ge¬ Der groͤßte unter den poetiſchen Idealiſten war Schiller hat ſeine ganze poetiſche Kraft in die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0127" n="117"/> Natur. Seine Helden haben alle etwas von der ge¬<lb/> meinen modernen Natur, das ſie von aͤchten Idealen<lb/> rein menſchlicher Schoͤnheit und Groͤße unterſcheidet.<lb/> Verſteigen ſie ſich in die hoͤchſten Regionen des Ed¬<lb/> len, ſo ſind ſie doch mehr im Leiden, Empfangen,<lb/> Genießen und Verlaſſen, als im Thun, Geben und<lb/> Feſthalten deſſelben ausgezeichnet. Aus welcher ro¬<lb/> mantiſchen Vorzeit auch ihr Coſtuͤm entlehnt iſt, es<lb/> ſind doch nur Copien der heutigen Helden, die ſehr<lb/> entfernt von Idealen ſind. Wir muͤſſen alſo Goͤthe<lb/> ganz aus dieſer Klaſſe verweiſen und werden ihn als<lb/> den Chorfuͤhrer und Koͤnig der modernen Poeſie wie¬<lb/> derfinden.</p><lb/> <p>Der groͤßte unter den poetiſchen Idealiſten war<lb/><hi rendition="#g">Schiller</hi>. Er fuͤhrte das Ideal zur Natur zuruͤck,<lb/> wie Goͤthe, aber er ſteigerte zugleich die Natur zum<lb/> Ideal. Seine Helden waren im romantiſchen Sinn<lb/> vollkommen das, was die Goͤtter der griechiſchen<lb/> Plaſtik im antiken Sinn, goͤttliche Menſchen, menſch¬<lb/> liche Goͤtter.</p><lb/> <p>Schiller hat ſeine ganze poetiſche Kraft in die<lb/> Darſtellung des Menſchen, und zwar des Ideals<lb/> menſchlicher Seelengroͤße und Seelenſchoͤnheit, des<lb/> hoͤchſten und geheimnißvollſten aller Wunder zuſam¬<lb/> mengedraͤngt. Die aͤußere Welt galt ihm uͤberall<lb/> nur als Folie, als Gegenſatz oder Gleichniß fuͤr den<lb/> Menſchen. Der blinden Naturgewalt ſtellt er die<lb/> ſittliche Kraft des Menſchen gegenuͤber, um dieſe in<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [117/0127]
Natur. Seine Helden haben alle etwas von der ge¬
meinen modernen Natur, das ſie von aͤchten Idealen
rein menſchlicher Schoͤnheit und Groͤße unterſcheidet.
Verſteigen ſie ſich in die hoͤchſten Regionen des Ed¬
len, ſo ſind ſie doch mehr im Leiden, Empfangen,
Genießen und Verlaſſen, als im Thun, Geben und
Feſthalten deſſelben ausgezeichnet. Aus welcher ro¬
mantiſchen Vorzeit auch ihr Coſtuͤm entlehnt iſt, es
ſind doch nur Copien der heutigen Helden, die ſehr
entfernt von Idealen ſind. Wir muͤſſen alſo Goͤthe
ganz aus dieſer Klaſſe verweiſen und werden ihn als
den Chorfuͤhrer und Koͤnig der modernen Poeſie wie¬
derfinden.
Der groͤßte unter den poetiſchen Idealiſten war
Schiller. Er fuͤhrte das Ideal zur Natur zuruͤck,
wie Goͤthe, aber er ſteigerte zugleich die Natur zum
Ideal. Seine Helden waren im romantiſchen Sinn
vollkommen das, was die Goͤtter der griechiſchen
Plaſtik im antiken Sinn, goͤttliche Menſchen, menſch¬
liche Goͤtter.
Schiller hat ſeine ganze poetiſche Kraft in die
Darſtellung des Menſchen, und zwar des Ideals
menſchlicher Seelengroͤße und Seelenſchoͤnheit, des
hoͤchſten und geheimnißvollſten aller Wunder zuſam¬
mengedraͤngt. Die aͤußere Welt galt ihm uͤberall
nur als Folie, als Gegenſatz oder Gleichniß fuͤr den
Menſchen. Der blinden Naturgewalt ſtellt er die
ſittliche Kraft des Menſchen gegenuͤber, um dieſe in
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