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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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Leben den höchsten Adel der menschlichen Natur zu
begleiten pflegt. Alle seine Helden tragen das Sie¬
gel des Zeus auf der Stirne. In seinen ersten Ge¬
dichten mochte man dieses freie, kühne Geberden wohl
etwas ungeschlacht und eckigt finden, und der Dich¬
ter selbst ließ sich im eleganten Weimar verleiten,
seinen Räuber ein wenig zu civilisiren. Wer sollte
jedoch nicht durch eine rauhe Hülle in den festen,
reinen Demantkern der edlern Natur hindurchschauen?
Welche Thorheiten man in Karl Moor, auch in Ka¬
bale und Liebe und im Fiesko finden mag, ich kann
sie nicht anders betrachten, als die Thorheiten jenes
altdeutschen Parcifal, der als roher Knabe noch im
kindischen Kleide zur Beschämung aller Spötter sein
adeliges Heldenherz erprobte; ja die Gewalt sittli¬
cher Schönheit in einer edlen Natur kann wohl nir¬
gends rührender und ergreifender wirken, als wo
sie so unbewußt der einseitigen Verspottung bloßge¬
stellt ist.

Das dritte und höchste Geheimniß der Schön¬
heit in den Naturen Schiller's ist das Feuer edler
Leidenschaften
. Von diesem Feuer ist jedes große
Herz ergriffen; es ist das Opferfeuer für die himm¬
lischen Mächte, die vestalische Flamme, von den Ge¬
weihten im Tempel Gottes gehütet, der Prometheus-
Funke, vom Himmel entwandt, um den Menschen
eine göttliche Seele zu geben, das Pfingstfeuer
der Begeisterung, in welchem die Seelen getauft
werden; das Phönixfeuer, worin unser Geschlecht

Leben den hoͤchſten Adel der menſchlichen Natur zu
begleiten pflegt. Alle ſeine Helden tragen das Sie¬
gel des Zeus auf der Stirne. In ſeinen erſten Ge¬
dichten mochte man dieſes freie, kuͤhne Geberden wohl
etwas ungeſchlacht und eckigt finden, und der Dich¬
ter ſelbſt ließ ſich im eleganten Weimar verleiten,
ſeinen Raͤuber ein wenig zu civiliſiren. Wer ſollte
jedoch nicht durch eine rauhe Huͤlle in den feſten,
reinen Demantkern der edlern Natur hindurchſchauen?
Welche Thorheiten man in Karl Moor, auch in Ka¬
bale und Liebe und im Fiesko finden mag, ich kann
ſie nicht anders betrachten, als die Thorheiten jenes
altdeutſchen Parcifal, der als roher Knabe noch im
kindiſchen Kleide zur Beſchaͤmung aller Spoͤtter ſein
adeliges Heldenherz erprobte; ja die Gewalt ſittli¬
cher Schoͤnheit in einer edlen Natur kann wohl nir¬
gends ruͤhrender und ergreifender wirken, als wo
ſie ſo unbewußt der einſeitigen Verſpottung bloßge¬
ſtellt iſt.

Das dritte und hoͤchſte Geheimniß der Schoͤn¬
heit in den Naturen Schiller's iſt das Feuer edler
Leidenſchaften
. Von dieſem Feuer iſt jedes große
Herz ergriffen; es iſt das Opferfeuer fuͤr die himm¬
liſchen Maͤchte, die veſtaliſche Flamme, von den Ge¬
weihten im Tempel Gottes gehuͤtet, der Prometheus-
Funke, vom Himmel entwandt, um den Menſchen
eine goͤttliche Seele zu geben, das Pfingſtfeuer
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[126/0136] Leben den hoͤchſten Adel der menſchlichen Natur zu begleiten pflegt. Alle ſeine Helden tragen das Sie¬ gel des Zeus auf der Stirne. In ſeinen erſten Ge¬ dichten mochte man dieſes freie, kuͤhne Geberden wohl etwas ungeſchlacht und eckigt finden, und der Dich¬ ter ſelbſt ließ ſich im eleganten Weimar verleiten, ſeinen Raͤuber ein wenig zu civiliſiren. Wer ſollte jedoch nicht durch eine rauhe Huͤlle in den feſten, reinen Demantkern der edlern Natur hindurchſchauen? Welche Thorheiten man in Karl Moor, auch in Ka¬ bale und Liebe und im Fiesko finden mag, ich kann ſie nicht anders betrachten, als die Thorheiten jenes altdeutſchen Parcifal, der als roher Knabe noch im kindiſchen Kleide zur Beſchaͤmung aller Spoͤtter ſein adeliges Heldenherz erprobte; ja die Gewalt ſittli¬ cher Schoͤnheit in einer edlen Natur kann wohl nir¬ gends ruͤhrender und ergreifender wirken, als wo ſie ſo unbewußt der einſeitigen Verſpottung bloßge¬ ſtellt iſt. Das dritte und hoͤchſte Geheimniß der Schoͤn¬ heit in den Naturen Schiller's iſt das Feuer edler Leidenſchaften. Von dieſem Feuer iſt jedes große Herz ergriffen; es iſt das Opferfeuer fuͤr die himm¬ liſchen Maͤchte, die veſtaliſche Flamme, von den Ge¬ weihten im Tempel Gottes gehuͤtet, der Prometheus- Funke, vom Himmel entwandt, um den Menſchen eine goͤttliche Seele zu geben, das Pfingſtfeuer der Begeiſterung, in welchem die Seelen getauft werden; das Phoͤnixfeuer, worin unſer Geſchlecht

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/136>, abgerufen am 24.11.2024.