Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.tiefem Sinne, alle an eine ewige Idee geknüpft, die Auf diese Weise sind die Sagen eine unerschöpf¬ Hiervon nahm zunächst die neuere Romanze ihren Deutsche Literatur. II. 7
tiefem Sinne, alle an eine ewige Idee geknuͤpft, die Auf dieſe Weiſe ſind die Sagen eine unerſchoͤpf¬ Hiervon nahm zunaͤchſt die neuere Romanze ihren Deutſche Literatur. II. 7
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0155" n="145"/> tiefem Sinne, alle an eine ewige Idee geknuͤpft, die<lb/> einfachſte kunſtloſeſte Offenbarung derſelben. Darum<lb/> ſprechen ſie uns ſo an.</p><lb/> <p>Auf dieſe Weiſe ſind die Sagen eine unerſchoͤpf¬<lb/> liche Quelle von Poeſie, und ihr Stoff iſt ſo uner¬<lb/> meßlich und im Allgemeinen noch ſo wenig durchge¬<lb/> arbeitet, daß die neuern Dichter ſich ſeiner wohl an¬<lb/> nehmen duͤrfen. Theils iſt die alterthuͤmliche Form,<lb/> in welcher ſich vollendet ausgearbeitete Sagen erhal¬<lb/> ten haben, uns fremd geworden, theils ſind die mei¬<lb/> ſten Sagen wirklich nur in rohen Grundzuͤgen vor¬<lb/> handen, welche wir erſt auffuͤhren muͤſſen. So ge¬<lb/> ſchah es, daß unſre vorzuͤglichſten Dichter wetteifernd<lb/> den alten goldſchweren Schatz der Volksſage zu he¬<lb/> ben und neugepraͤgt wieder in Umlauf zu bringen<lb/> bemuͤht waren.</p><lb/> <p>Hiervon nahm zunaͤchſt die neuere Romanze ihren<lb/> Urſprung, eine Dichtungsart, in deren beſcheidenem<lb/> Gewande die herrlichſte Poeſie ſich verbirgt. Unſre<lb/> groͤßten Dichter waren darin ausgezeichnet, und am<lb/> meiſten, wenn ſie ſich an echte alte Sagenſtoffe hiel¬<lb/> ten. So Goͤthe, Schiller, Stollberg. Buͤrger machte<lb/> ſich die Romanze zur Hauptſache, entſtellte ſie aber<lb/> durch baͤuriſche Derbheit, die er mit dem Volkston<lb/> verwechſelte. Die trefflichſten Romanzen hat unter<lb/> den Neuern <hi rendition="#g">Uhland</hi> gedichtet. Keiner faßte die<lb/> Ideen der alten Sagen tiefer auf, keiner ſtellte ſie<lb/> treuer und einfacher im echten alterthuͤmlichen Ge¬<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Deutſche Literatur. <hi rendition="#aq">II</hi>. 7<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [145/0155]
tiefem Sinne, alle an eine ewige Idee geknuͤpft, die
einfachſte kunſtloſeſte Offenbarung derſelben. Darum
ſprechen ſie uns ſo an.
Auf dieſe Weiſe ſind die Sagen eine unerſchoͤpf¬
liche Quelle von Poeſie, und ihr Stoff iſt ſo uner¬
meßlich und im Allgemeinen noch ſo wenig durchge¬
arbeitet, daß die neuern Dichter ſich ſeiner wohl an¬
nehmen duͤrfen. Theils iſt die alterthuͤmliche Form,
in welcher ſich vollendet ausgearbeitete Sagen erhal¬
ten haben, uns fremd geworden, theils ſind die mei¬
ſten Sagen wirklich nur in rohen Grundzuͤgen vor¬
handen, welche wir erſt auffuͤhren muͤſſen. So ge¬
ſchah es, daß unſre vorzuͤglichſten Dichter wetteifernd
den alten goldſchweren Schatz der Volksſage zu he¬
ben und neugepraͤgt wieder in Umlauf zu bringen
bemuͤht waren.
Hiervon nahm zunaͤchſt die neuere Romanze ihren
Urſprung, eine Dichtungsart, in deren beſcheidenem
Gewande die herrlichſte Poeſie ſich verbirgt. Unſre
groͤßten Dichter waren darin ausgezeichnet, und am
meiſten, wenn ſie ſich an echte alte Sagenſtoffe hiel¬
ten. So Goͤthe, Schiller, Stollberg. Buͤrger machte
ſich die Romanze zur Hauptſache, entſtellte ſie aber
durch baͤuriſche Derbheit, die er mit dem Volkston
verwechſelte. Die trefflichſten Romanzen hat unter
den Neuern Uhland gedichtet. Keiner faßte die
Ideen der alten Sagen tiefer auf, keiner ſtellte ſie
treuer und einfacher im echten alterthuͤmlichen Ge¬
Deutſche Literatur. II. 7
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |