wande dar. Darum mahnen sie uns wie Klänge fern aus grauer Vorzeit.
Größre Sagen in der Form des Heldengedichts und Romans gaben vorzüglich Tieck und Fouque. Sie bilden zugleich den Übergang von der Sagenpoesie zur katholischen. Wie im Mittelalter selbst die heid¬ nische Sage mit der christlichen Legende sich ver¬ mischte, so auch in den neuern Dichtungen, die auf jene gegründet sind. Indeß bemerken wir einen sehr großen Unterschied unter den Darstellungen des katho¬ lischen Mittelalters.
Auf Göthe's Götz von Berlichingen, welcher nichts andres bezweckte, als ein charakterisirendes Gemälde, folgte jene Fluth von Ritterromanen, die nur die Bengelhaftigkeit der gegenwärtigen, keineswegs die Kraft und Milde der vergangnen Zeit schilderten. Sie waren wesentlich negative Schilderungen des Mittelalters, gegen den Geist desselben gerichtet, da¬ her sie auch beständig die Pfaffen zur Zielscheibe ih¬ res groben Witzes machten. Indeß läßt sich nicht verkennen, daß selbst in dieser abgeschmackten und rohen Auffassung des Mittelalters eine Vorliebe für das Romantische jener Zeit zu Grunde lag. Eine alte Burg, ein Wald, ein geharnischter Ritter, ein Burgverließ, ein Eremit reichten schon hin, die Phan¬ tasie zu beleben und das Herz mit romantischen Schauern zu überströmen.
Ludwig Tieck war der Erste, der den Geist des Mittelalters lebendig und rein im ganzen Umfang
wande dar. Darum mahnen ſie uns wie Klaͤnge fern aus grauer Vorzeit.
Groͤßre Sagen in der Form des Heldengedichts und Romans gaben vorzuͤglich Tieck und Fouqué. Sie bilden zugleich den Übergang von der Sagenpoeſie zur katholiſchen. Wie im Mittelalter ſelbſt die heid¬ niſche Sage mit der chriſtlichen Legende ſich ver¬ miſchte, ſo auch in den neuern Dichtungen, die auf jene gegruͤndet ſind. Indeß bemerken wir einen ſehr großen Unterſchied unter den Darſtellungen des katho¬ liſchen Mittelalters.
Auf Goͤthe's Goͤtz von Berlichingen, welcher nichts andres bezweckte, als ein charakteriſirendes Gemaͤlde, folgte jene Fluth von Ritterromanen, die nur die Bengelhaftigkeit der gegenwaͤrtigen, keineswegs die Kraft und Milde der vergangnen Zeit ſchilderten. Sie waren weſentlich negative Schilderungen des Mittelalters, gegen den Geiſt deſſelben gerichtet, da¬ her ſie auch beſtaͤndig die Pfaffen zur Zielſcheibe ih¬ res groben Witzes machten. Indeß laͤßt ſich nicht verkennen, daß ſelbſt in dieſer abgeſchmackten und rohen Auffaſſung des Mittelalters eine Vorliebe fuͤr das Romantiſche jener Zeit zu Grunde lag. Eine alte Burg, ein Wald, ein geharniſchter Ritter, ein Burgverließ, ein Eremit reichten ſchon hin, die Phan¬ taſie zu beleben und das Herz mit romantiſchen Schauern zu uͤberſtroͤmen.
Ludwig Tieck war der Erſte, der den Geiſt des Mittelalters lebendig und rein im ganzen Umfang
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wande dar. Darum mahnen ſie uns wie Klaͤnge fern
aus grauer Vorzeit.
Groͤßre Sagen in der Form des Heldengedichts
und Romans gaben vorzuͤglich Tieck und Fouqué. Sie
bilden zugleich den Übergang von der Sagenpoeſie
zur katholiſchen. Wie im Mittelalter ſelbſt die heid¬
niſche Sage mit der chriſtlichen Legende ſich ver¬
miſchte, ſo auch in den neuern Dichtungen, die auf
jene gegruͤndet ſind. Indeß bemerken wir einen ſehr
großen Unterſchied unter den Darſtellungen des katho¬
liſchen Mittelalters.
Auf Goͤthe's Goͤtz von Berlichingen, welcher nichts
andres bezweckte, als ein charakteriſirendes Gemaͤlde,
folgte jene Fluth von Ritterromanen, die nur die
Bengelhaftigkeit der gegenwaͤrtigen, keineswegs die
Kraft und Milde der vergangnen Zeit ſchilderten.
Sie waren weſentlich negative Schilderungen des
Mittelalters, gegen den Geiſt deſſelben gerichtet, da¬
her ſie auch beſtaͤndig die Pfaffen zur Zielſcheibe ih¬
res groben Witzes machten. Indeß laͤßt ſich nicht
verkennen, daß ſelbſt in dieſer abgeſchmackten und
rohen Auffaſſung des Mittelalters eine Vorliebe fuͤr
das Romantiſche jener Zeit zu Grunde lag. Eine
alte Burg, ein Wald, ein geharniſchter Ritter, ein
Burgverließ, ein Eremit reichten ſchon hin, die Phan¬
taſie zu beleben und das Herz mit romantiſchen
Schauern zu uͤberſtroͤmen.
Ludwig Tieck war der Erſte, der den Geiſt des
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/156>, abgerufen am 16.02.2025.
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