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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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daß sie irgend ein vornehmer Bankert ist, oder der
Arme, den man der Armuth wegen verschmäht, wird
plötzlich reich etc. Wo dieser Glückswechsel nicht Statt
findet, läßt man das heilige Vorurtheil bestehn, und
die Unglücklichen müssen auf eine sogenannte heroische
Weise entsagen.

Die zweite Gattung der modernen Helden besteht
aus Sonntagskindern und Glücksrittern, die auf Ge¬
nialität Anspruch machen, und die alle einen gewis¬
sen Anstrich von Don Juan haben. Bald sind es
gewandte Diplomaten, bald herkulische Officiere, bald
glatte Gräfchen und Barone, bald wandernde Maler,
Dichter und dergleichen. Ihr Vorbild aber ist und
bleibt Don Juan. Sie sind nicht empfindsam, gut¬
müthig, thränenreich, wie die erstgenannten Helden,
vielmehr haben sie etwas Diabolisches, Freches, und
sollen bald mehr offen, bald mehr versteckt, immer
den Triumph der Kraft über die Sittlichkeit ausdrü¬
cken. Diese Kraft ist aber nichts als Unkraft, Nach¬
giebigkeit gegen die eigne Eitelkeit oder gegen die
gemeinen Neigungen und Appetite einer entkräfteten
Natur und verderbten Phantasie. Jene Helden sind
in keiner Hinsicht kräftig. Fehlt es an geistiger Kraft,
so kann die sinnliche, fehlt es an moralischer, so
kann die rein teuflische Kraft noch interessant und in
ihrer Art zu respectiren seyn. Aber unsre Dichter
wagen es nicht einmal, uns einen ganzen blos sinn¬
lich-kräftigen Don Juan, oder einen ganzen Teufel
zu geben. Ihre Helden bleiben in der Mitte, in der

daß ſie irgend ein vornehmer Bankert iſt, oder der
Arme, den man der Armuth wegen verſchmaͤht, wird
ploͤtzlich reich ꝛc. Wo dieſer Gluͤckswechſel nicht Statt
findet, laͤßt man das heilige Vorurtheil beſtehn, und
die Ungluͤcklichen muͤſſen auf eine ſogenannte heroiſche
Weiſe entſagen.

Die zweite Gattung der modernen Helden beſteht
aus Sonntagskindern und Gluͤcksrittern, die auf Ge¬
nialitaͤt Anſpruch machen, und die alle einen gewiſ¬
ſen Anſtrich von Don Juan haben. Bald ſind es
gewandte Diplomaten, bald herkuliſche Officiere, bald
glatte Graͤfchen und Barone, bald wandernde Maler,
Dichter und dergleichen. Ihr Vorbild aber iſt und
bleibt Don Juan. Sie ſind nicht empfindſam, gut¬
muͤthig, thraͤnenreich, wie die erſtgenannten Helden,
vielmehr haben ſie etwas Diaboliſches, Freches, und
ſollen bald mehr offen, bald mehr verſteckt, immer
den Triumph der Kraft uͤber die Sittlichkeit ausdruͤ¬
cken. Dieſe Kraft iſt aber nichts als Unkraft, Nach¬
giebigkeit gegen die eigne Eitelkeit oder gegen die
gemeinen Neigungen und Appetite einer entkraͤfteten
Natur und verderbten Phantaſie. Jene Helden ſind
in keiner Hinſicht kraͤftig. Fehlt es an geiſtiger Kraft,
ſo kann die ſinnliche, fehlt es an moraliſcher, ſo
kann die rein teufliſche Kraft noch intereſſant und in
ihrer Art zu reſpectiren ſeyn. Aber unſre Dichter
wagen es nicht einmal, uns einen ganzen blos ſinn¬
lich-kraͤftigen Don Juan, oder einen ganzen Teufel
zu geben. Ihre Helden bleiben in der Mitte, in der

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[198/0208] daß ſie irgend ein vornehmer Bankert iſt, oder der Arme, den man der Armuth wegen verſchmaͤht, wird ploͤtzlich reich ꝛc. Wo dieſer Gluͤckswechſel nicht Statt findet, laͤßt man das heilige Vorurtheil beſtehn, und die Ungluͤcklichen muͤſſen auf eine ſogenannte heroiſche Weiſe entſagen. Die zweite Gattung der modernen Helden beſteht aus Sonntagskindern und Gluͤcksrittern, die auf Ge¬ nialitaͤt Anſpruch machen, und die alle einen gewiſ¬ ſen Anſtrich von Don Juan haben. Bald ſind es gewandte Diplomaten, bald herkuliſche Officiere, bald glatte Graͤfchen und Barone, bald wandernde Maler, Dichter und dergleichen. Ihr Vorbild aber iſt und bleibt Don Juan. Sie ſind nicht empfindſam, gut¬ muͤthig, thraͤnenreich, wie die erſtgenannten Helden, vielmehr haben ſie etwas Diaboliſches, Freches, und ſollen bald mehr offen, bald mehr verſteckt, immer den Triumph der Kraft uͤber die Sittlichkeit ausdruͤ¬ cken. Dieſe Kraft iſt aber nichts als Unkraft, Nach¬ giebigkeit gegen die eigne Eitelkeit oder gegen die gemeinen Neigungen und Appetite einer entkraͤfteten Natur und verderbten Phantaſie. Jene Helden ſind in keiner Hinſicht kraͤftig. Fehlt es an geiſtiger Kraft, ſo kann die ſinnliche, fehlt es an moraliſcher, ſo kann die rein teufliſche Kraft noch intereſſant und in ihrer Art zu reſpectiren ſeyn. Aber unſre Dichter wagen es nicht einmal, uns einen ganzen blos ſinn¬ lich-kraͤftigen Don Juan, oder einen ganzen Teufel zu geben. Ihre Helden bleiben in der Mitte, in der

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/208>, abgerufen am 24.11.2024.