können, weil sie gänzlich des Princips entbehrten. Am allerwenigsten aber mochte sich das wilde Roß der Politik vor seinen Triumphwagen spannen lassen, und seine diesfälligen Versuche haben ihn nur darum nicht blamirt, weil man bei der alten Achtung seines Namens nicht Ärgerliches daran finden wollte. Es entspricht seinem ganzen Wesen, daß er immer nur die herrschende Partei ergriff. Darum besang er den Napoleon, aber sein Lied war der Welt lange nicht mehr so wichtig, als eine bloße Zeitung. Später wieder, als die Zeiten gewechselt, sollte sein Siegs¬ lied Epimenides ein Kanon der deutschen Begeiste¬ rung werden. Aber der kleine Umstand, daß der Barde hinter und nicht vor dem Heere zog, daß er geschwiegen, wo sein Wort ein Schwert gewesen wäre, und erst zu reden anfieng, als die Schwerter schon laut genug gesprochen hatten, ließ wie billig die Herzen kalt, und die erbärmliche Steifigkeit und Ungelenksamkeit jenes Dramas zeigte ohnehin, daß es mechanisches Machwerk des Talentes, nicht orga¬ nisches Leben der Begeisterung selbst war. In diesem Versuch, der über den Kreis des Talentes hinaus¬ lag, mußte dieses selbst sich fremd werden. So ver¬ mißt man in Epimenides auch das bekannte Talent des Dichters. Nach solchem Mißgeschick konnte Göthe dennoch der Lust nicht entsagen, auch den zuletzt ein¬ getretenen religiösen Sinn der Zeit bemeistern zu wol¬ len. Wie fremd ihm aber diese Sphäre bleibt, davon
koͤnnen, weil ſie gaͤnzlich des Princips entbehrten. Am allerwenigſten aber mochte ſich das wilde Roß der Politik vor ſeinen Triumphwagen ſpannen laſſen, und ſeine diesfaͤlligen Verſuche haben ihn nur darum nicht blamirt, weil man bei der alten Achtung ſeines Namens nicht Ärgerliches daran finden wollte. Es entſpricht ſeinem ganzen Weſen, daß er immer nur die herrſchende Partei ergriff. Darum beſang er den Napoleon, aber ſein Lied war der Welt lange nicht mehr ſo wichtig, als eine bloße Zeitung. Spaͤter wieder, als die Zeiten gewechſelt, ſollte ſein Siegs¬ lied Epimenides ein Kanon der deutſchen Begeiſte¬ rung werden. Aber der kleine Umſtand, daß der Barde hinter und nicht vor dem Heere zog, daß er geſchwiegen, wo ſein Wort ein Schwert geweſen waͤre, und erſt zu reden anfieng, als die Schwerter ſchon laut genug geſprochen hatten, ließ wie billig die Herzen kalt, und die erbaͤrmliche Steifigkeit und Ungelenkſamkeit jenes Dramas zeigte ohnehin, daß es mechaniſches Machwerk des Talentes, nicht orga¬ niſches Leben der Begeiſterung ſelbſt war. In dieſem Verſuch, der uͤber den Kreis des Talentes hinaus¬ lag, mußte dieſes ſelbſt ſich fremd werden. So ver¬ mißt man in Epimenides auch das bekannte Talent des Dichters. Nach ſolchem Mißgeſchick konnte Goͤthe dennoch der Luſt nicht entſagen, auch den zuletzt ein¬ getretenen religioͤſen Sinn der Zeit bemeiſtern zu wol¬ len. Wie fremd ihm aber dieſe Sphaͤre bleibt, davon
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koͤnnen, weil ſie gaͤnzlich des Princips entbehrten.
Am allerwenigſten aber mochte ſich das wilde Roß
der Politik vor ſeinen Triumphwagen ſpannen laſſen,
und ſeine diesfaͤlligen Verſuche haben ihn nur darum
nicht blamirt, weil man bei der alten Achtung ſeines
Namens nicht Ärgerliches daran finden wollte. Es
entſpricht ſeinem ganzen Weſen, daß er immer nur
die herrſchende Partei ergriff. Darum beſang er den
Napoleon, aber ſein Lied war der Welt lange nicht
mehr ſo wichtig, als eine bloße Zeitung. Spaͤter
wieder, als die Zeiten gewechſelt, ſollte ſein Siegs¬
lied Epimenides ein Kanon der deutſchen Begeiſte¬
rung werden. Aber der kleine Umſtand, daß der
Barde hinter und nicht vor dem Heere zog, daß er
geſchwiegen, wo ſein Wort ein Schwert geweſen
waͤre, und erſt zu reden anfieng, als die Schwerter
ſchon laut genug geſprochen hatten, ließ wie billig
die Herzen kalt, und die erbaͤrmliche Steifigkeit und
Ungelenkſamkeit jenes Dramas zeigte ohnehin, daß
es mechaniſches Machwerk des Talentes, nicht orga¬
niſches Leben der Begeiſterung ſelbſt war. In dieſem
Verſuch, der uͤber den Kreis des Talentes hinaus¬
lag, mußte dieſes ſelbſt ſich fremd werden. So ver¬
mißt man in Epimenides auch das bekannte Talent
des Dichters. Nach ſolchem Mißgeſchick konnte Goͤthe
dennoch der Luſt nicht entſagen, auch den zuletzt ein¬
getretenen religioͤſen Sinn der Zeit bemeiſtern zu wol¬
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/239>, abgerufen am 24.11.2024.
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