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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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im Epischen und Lyrischen, von Dramen verlautet
aber erst am Ende desselben ein weniges. Unter al¬
len Musen sind die dramatischen in Deutschland am
spätesten eingewandert und haben ihren ersten Einzug
wie in Griechenland auf dem Thespiskarren gehalten.
Alberne geistliche Festspiele und weltliche Fastnachts¬
possen waren die ersten ärmlichen Gaben derselben.
Jene geistlichen Dramen erlangten nie die ideale Aus¬
bildung wie in Spanien, und diese weltlichen Bur¬
lesken entstanden und verschwanden mit dem Wohl¬
stand des dritten Standes und wurden nie, was sie
in England und Italien geworden sind. Hans Sachs
ließ seinem Zeitalter eine ganze dramatische Welt
wie in einer magischen Laterne schnell vor den Augen
vorübergehn, aber die bleichen gedrängten Gestalten
verschwanden in der Nacht des Zeitalters, in deren
dicker Finsterniß Jesuitismus, Orthodoxie und Hexen¬
processe eine allgemeine große Tragikomödie statt al¬
ler andern aufführten.

Als Deutschland sich wieder erholte war Macht
und Wohlbehagen vom Volk hinweg an die Höfe der
Fürsten gezogen, und hier allein hatte man Geld und
Langeweile genug, dem alterschwachen Hofnarren
Melpomenen und Thalien zu Gehülfinnen zu geben.
Die vornehme Welt gieng aber damals in die fran¬
zösisch-italienische Schule und verschrieb sich von dort
das Theater mit allem Zubehör. Doch hatte sich zum
Glück neben der Verzerrung des antiken Geschmacks
noch ein romantisches Element erhalten, das sich vor¬

im Epiſchen und Lyriſchen, von Dramen verlautet
aber erſt am Ende deſſelben ein weniges. Unter al¬
len Muſen ſind die dramatiſchen in Deutſchland am
ſpaͤteſten eingewandert und haben ihren erſten Einzug
wie in Griechenland auf dem Theſpiskarren gehalten.
Alberne geiſtliche Feſtſpiele und weltliche Faſtnachts¬
poſſen waren die erſten aͤrmlichen Gaben derſelben.
Jene geiſtlichen Dramen erlangten nie die ideale Aus¬
bildung wie in Spanien, und dieſe weltlichen Bur¬
lesken entſtanden und verſchwanden mit dem Wohl¬
ſtand des dritten Standes und wurden nie, was ſie
in England und Italien geworden ſind. Hans Sachs
ließ ſeinem Zeitalter eine ganze dramatiſche Welt
wie in einer magiſchen Laterne ſchnell vor den Augen
voruͤbergehn, aber die bleichen gedraͤngten Geſtalten
verſchwanden in der Nacht des Zeitalters, in deren
dicker Finſterniß Jeſuitismus, Orthodoxie und Hexen¬
proceſſe eine allgemeine große Tragikomoͤdie ſtatt al¬
ler andern auffuͤhrten.

Als Deutſchland ſich wieder erholte war Macht
und Wohlbehagen vom Volk hinweg an die Hoͤfe der
Fuͤrſten gezogen, und hier allein hatte man Geld und
Langeweile genug, dem alterſchwachen Hofnarren
Melpomenen und Thalien zu Gehuͤlfinnen zu geben.
Die vornehme Welt gieng aber damals in die fran¬
zoͤſiſch-italieniſche Schule und verſchrieb ſich von dort
das Theater mit allem Zubehoͤr. Doch hatte ſich zum
Gluͤck neben der Verzerrung des antiken Geſchmacks
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[258/0268] im Epiſchen und Lyriſchen, von Dramen verlautet aber erſt am Ende deſſelben ein weniges. Unter al¬ len Muſen ſind die dramatiſchen in Deutſchland am ſpaͤteſten eingewandert und haben ihren erſten Einzug wie in Griechenland auf dem Theſpiskarren gehalten. Alberne geiſtliche Feſtſpiele und weltliche Faſtnachts¬ poſſen waren die erſten aͤrmlichen Gaben derſelben. Jene geiſtlichen Dramen erlangten nie die ideale Aus¬ bildung wie in Spanien, und dieſe weltlichen Bur¬ lesken entſtanden und verſchwanden mit dem Wohl¬ ſtand des dritten Standes und wurden nie, was ſie in England und Italien geworden ſind. Hans Sachs ließ ſeinem Zeitalter eine ganze dramatiſche Welt wie in einer magiſchen Laterne ſchnell vor den Augen voruͤbergehn, aber die bleichen gedraͤngten Geſtalten verſchwanden in der Nacht des Zeitalters, in deren dicker Finſterniß Jeſuitismus, Orthodoxie und Hexen¬ proceſſe eine allgemeine große Tragikomoͤdie ſtatt al¬ ler andern auffuͤhrten. Als Deutſchland ſich wieder erholte war Macht und Wohlbehagen vom Volk hinweg an die Hoͤfe der Fuͤrſten gezogen, und hier allein hatte man Geld und Langeweile genug, dem alterſchwachen Hofnarren Melpomenen und Thalien zu Gehuͤlfinnen zu geben. Die vornehme Welt gieng aber damals in die fran¬ zoͤſiſch-italieniſche Schule und verſchrieb ſich von dort das Theater mit allem Zubehoͤr. Doch hatte ſich zum Gluͤck neben der Verzerrung des antiken Geſchmacks noch ein romantiſches Element erhalten, das ſich vor¬

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/268>, abgerufen am 24.11.2024.