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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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Wir finden verschiedne Gattungen von Liebesro¬
manen. Die Liebe wtrd entweder sentimental, oder
schon ironisch behandelt. Im letztern Fall geht sie
auch ins blos sinnliche Gebiet über. Sie ist ferner
entweder heroisch, oder idyllisch. Endlich ist sie mehr
romantisch an ein getrenntes und gemeiniglich unglück¬
liches Paar oder an das Familienwesen gebunden.

Die echte heroische Liebe, wie frühere Zeiten sie
in Tristan und Ysolde, Cervantes in Persiles und
Sigismunde, Shakespeare in Romeo und Julie ge¬
schildert, ist zwar in Schiller's und Tieck's Schauspie¬
len wunderbar, herrlich wieder erwacht, aber die
Prosa der Romane hat sich so hoch nicht verstiegen.
In den Romanen nahm die Liebe einen weinerlichen
und weichlichen Ausdruck an. Schwächlichkeit war
ihr Charakter, und in deren Gefolge versteckte Sinn¬
lichkeit und kokette Dezenz und Tugend. Die Hel¬
den dieser Liebe, Werther an der Spitze, dann Sieg¬
wart und das ganze Gewimmel von liebenswürdigen
Jünglingen bei Lafontaine, sie alle waren Schwäch¬
linge, und erwecken zwar Mitleid, aber auch eine
gewisse Geringschätzung. Manneswerth soll überall
gelten, und nichts ist wohl eine so gute Feuerprobe
für ihn, als Liebe. Jene weibischen Liebhaber erpro¬
ben aber diesen Werth sehr schlecht. Sie sind ohne
Kraft, und ihre Liebe selbst macht sie nur verächtli¬
cher, weil sie ohne Ehre ist. Chateaubriand läßt ein¬
mal Chimenen zum Cid die tiefsinnigen Worte sagen:
nicht eher glaub' ich, Rodrigo, daß du mich liebst,

Wir finden verſchiedne Gattungen von Liebesro¬
manen. Die Liebe wtrd entweder ſentimental, oder
ſchon ironiſch behandelt. Im letztern Fall geht ſie
auch ins blos ſinnliche Gebiet uͤber. Sie iſt ferner
entweder heroiſch, oder idylliſch. Endlich iſt ſie mehr
romantiſch an ein getrenntes und gemeiniglich ungluͤck¬
liches Paar oder an das Familienweſen gebunden.

Die echte heroiſche Liebe, wie fruͤhere Zeiten ſie
in Triſtan und Yſolde, Cervantes in Perſiles und
Sigismunde, Shakeſpeare in Romeo und Julie ge¬
ſchildert, iſt zwar in Schiller's und Tieck's Schauſpie¬
len wunderbar, herrlich wieder erwacht, aber die
Proſa der Romane hat ſich ſo hoch nicht verſtiegen.
In den Romanen nahm die Liebe einen weinerlichen
und weichlichen Ausdruck an. Schwaͤchlichkeit war
ihr Charakter, und in deren Gefolge verſteckte Sinn¬
lichkeit und kokette Dezenz und Tugend. Die Hel¬
den dieſer Liebe, Werther an der Spitze, dann Sieg¬
wart und das ganze Gewimmel von liebenswuͤrdigen
Juͤnglingen bei Lafontaine, ſie alle waren Schwaͤch¬
linge, und erwecken zwar Mitleid, aber auch eine
gewiſſe Geringſchaͤtzung. Manneswerth ſoll uͤberall
gelten, und nichts iſt wohl eine ſo gute Feuerprobe
fuͤr ihn, als Liebe. Jene weibiſchen Liebhaber erpro¬
ben aber dieſen Werth ſehr ſchlecht. Sie ſind ohne
Kraft, und ihre Liebe ſelbſt macht ſie nur veraͤchtli¬
cher, weil ſie ohne Ehre iſt. Chateaubriand laͤßt ein¬
mal Chimenen zum Cid die tiefſinnigen Worte ſagen:
nicht eher glaub' ich, Rodrigo, daß du mich liebſt,

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[275/0285] Wir finden verſchiedne Gattungen von Liebesro¬ manen. Die Liebe wtrd entweder ſentimental, oder ſchon ironiſch behandelt. Im letztern Fall geht ſie auch ins blos ſinnliche Gebiet uͤber. Sie iſt ferner entweder heroiſch, oder idylliſch. Endlich iſt ſie mehr romantiſch an ein getrenntes und gemeiniglich ungluͤck¬ liches Paar oder an das Familienweſen gebunden. Die echte heroiſche Liebe, wie fruͤhere Zeiten ſie in Triſtan und Yſolde, Cervantes in Perſiles und Sigismunde, Shakeſpeare in Romeo und Julie ge¬ ſchildert, iſt zwar in Schiller's und Tieck's Schauſpie¬ len wunderbar, herrlich wieder erwacht, aber die Proſa der Romane hat ſich ſo hoch nicht verſtiegen. In den Romanen nahm die Liebe einen weinerlichen und weichlichen Ausdruck an. Schwaͤchlichkeit war ihr Charakter, und in deren Gefolge verſteckte Sinn¬ lichkeit und kokette Dezenz und Tugend. Die Hel¬ den dieſer Liebe, Werther an der Spitze, dann Sieg¬ wart und das ganze Gewimmel von liebenswuͤrdigen Juͤnglingen bei Lafontaine, ſie alle waren Schwaͤch¬ linge, und erwecken zwar Mitleid, aber auch eine gewiſſe Geringſchaͤtzung. Manneswerth ſoll uͤberall gelten, und nichts iſt wohl eine ſo gute Feuerprobe fuͤr ihn, als Liebe. Jene weibiſchen Liebhaber erpro¬ ben aber dieſen Werth ſehr ſchlecht. Sie ſind ohne Kraft, und ihre Liebe ſelbſt macht ſie nur veraͤchtli¬ cher, weil ſie ohne Ehre iſt. Chateaubriand laͤßt ein¬ mal Chimenen zum Cid die tiefſinnigen Worte ſagen: nicht eher glaub' ich, Rodrigo, daß du mich liebſt,

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/285>, abgerufen am 25.11.2024.