überheben, zu kritischen Hunden, zum Bellen und Beis¬ sen abgerichtet werden, ist eine Schande.
Es wird aber doch auch viel bei uns gelobt, und eben so unverschämt, als getadelt wird. Die Anhänger einer Partei loben sich unter einander, die Schüler den Meister, die Clienten den Mäcen und umgekehrt. Die meisten lobenden Recensionen gehn aber aus dem Interesse der Buchhändler und oft der Autoren selbst hervor. Hier waltet Eigennutz, Kli¬ kenwesen, Gevatterschaft, und jede Triebfeder, die auch im bürgerlichen Leben den Stümper oft zu Ehren bringt.
Noch besitzen wir keine Geschichte der deutschen Gelehrtenkriege, und ob sie gleich kein Ehrendenkmal seyn dürfte, wäre sie doch lehrreich. Da man über alles schreibt, wird man auch wohl eine Geschichte der Polemik nicht vergessen. Ich will sie hier nur in ihren Hauptmomenten kürzlich skizziren. Sie be¬ ginnt mit den dogmatischen Fehden der Mönche, Scholastiker und Sektirer im Mittelalter, und in Bezug auf Geschmack mit dem berühmten Krieg auf der Wartburg. Ihr goldnes Zeitalter erlebte sie in der Reformation, dieß war die Blüthenzeit der Po¬ lemik, und aus allen Winkeln und über ganz Deutsch¬ land wucherten die Disteln und Dornen. Damals begann die Polemik auch schon ins politische Gebiet hinüber zu spielen, hörte damit aber auch auf, eigent¬ liche Gelehrtensache zu seyn. Die theologische Pole¬ mik hat bis auf die heutige Stunde ununterbrochen
uͤberheben, zu kritiſchen Hunden, zum Bellen und Beiſ¬ ſen abgerichtet werden, iſt eine Schande.
Es wird aber doch auch viel bei uns gelobt, und eben ſo unverſchaͤmt, als getadelt wird. Die Anhaͤnger einer Partei loben ſich unter einander, die Schuͤler den Meiſter, die Clienten den Maͤcen und umgekehrt. Die meiſten lobenden Recenſionen gehn aber aus dem Intereſſe der Buchhaͤndler und oft der Autoren ſelbſt hervor. Hier waltet Eigennutz, Kli¬ kenweſen, Gevatterſchaft, und jede Triebfeder, die auch im buͤrgerlichen Leben den Stuͤmper oft zu Ehren bringt.
Noch beſitzen wir keine Geſchichte der deutſchen Gelehrtenkriege, und ob ſie gleich kein Ehrendenkmal ſeyn duͤrfte, waͤre ſie doch lehrreich. Da man uͤber alles ſchreibt, wird man auch wohl eine Geſchichte der Polemik nicht vergeſſen. Ich will ſie hier nur in ihren Hauptmomenten kuͤrzlich ſkizziren. Sie be¬ ginnt mit den dogmatiſchen Fehden der Moͤnche, Scholaſtiker und Sektirer im Mittelalter, und in Bezug auf Geſchmack mit dem beruͤhmten Krieg auf der Wartburg. Ihr goldnes Zeitalter erlebte ſie in der Reformation, dieß war die Bluͤthenzeit der Po¬ lemik, und aus allen Winkeln und uͤber ganz Deutſch¬ land wucherten die Diſteln und Dornen. Damals begann die Polemik auch ſchon ins politiſche Gebiet hinuͤber zu ſpielen, hoͤrte damit aber auch auf, eigent¬ liche Gelehrtenſache zu ſeyn. Die theologiſche Pole¬ mik hat bis auf die heutige Stunde ununterbrochen
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uͤberheben, zu kritiſchen Hunden, zum Bellen und Beiſ¬
ſen abgerichtet werden, iſt eine Schande.
Es wird aber doch auch viel bei uns gelobt,
und eben ſo unverſchaͤmt, als getadelt wird. Die
Anhaͤnger einer Partei loben ſich unter einander, die
Schuͤler den Meiſter, die Clienten den Maͤcen und
umgekehrt. Die meiſten lobenden Recenſionen gehn
aber aus dem Intereſſe der Buchhaͤndler und oft der
Autoren ſelbſt hervor. Hier waltet Eigennutz, Kli¬
kenweſen, Gevatterſchaft, und jede Triebfeder, die
auch im buͤrgerlichen Leben den Stuͤmper oft zu Ehren
bringt.
Noch beſitzen wir keine Geſchichte der deutſchen
Gelehrtenkriege, und ob ſie gleich kein Ehrendenkmal
ſeyn duͤrfte, waͤre ſie doch lehrreich. Da man uͤber
alles ſchreibt, wird man auch wohl eine Geſchichte
der Polemik nicht vergeſſen. Ich will ſie hier nur
in ihren Hauptmomenten kuͤrzlich ſkizziren. Sie be¬
ginnt mit den dogmatiſchen Fehden der Moͤnche,
Scholaſtiker und Sektirer im Mittelalter, und in
Bezug auf Geſchmack mit dem beruͤhmten Krieg auf
der Wartburg. Ihr goldnes Zeitalter erlebte ſie in
der Reformation, dieß war die Bluͤthenzeit der Po¬
lemik, und aus allen Winkeln und uͤber ganz Deutſch¬
land wucherten die Diſteln und Dornen. Damals
begann die Polemik auch ſchon ins politiſche Gebiet
hinuͤber zu ſpielen, hoͤrte damit aber auch auf, eigent¬
liche Gelehrtenſache zu ſeyn. Die theologiſche Pole¬
mik hat bis auf die heutige Stunde ununterbrochen
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/307>, abgerufen am 27.11.2024.
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