Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.sie die Hände hin thun sollte, und spielte albern mit Wieland trat auf, der heitere, liebenswürdige, Wieland gab der deutschen Poesie zuerst wieder ſie die Haͤnde hin thun ſollte, und ſpielte albern mit Wieland trat auf, der heitere, liebenswuͤrdige, Wieland gab der deutſchen Poeſie zuerſt wieder <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0098" n="88"/> ſie die Haͤnde hin thun ſollte, und ſpielte albern mit<lb/> dem Faͤcher. Warfen maͤchtige Genien, wie Klop¬<lb/> ſtock und Leſſing, dieſen Plunder von ſich und ſchrit¬<lb/> ten aus der Menuett heraus, keck ihres eignen Gan¬<lb/> ges, ſo mußte doch in ihnen erſt die Kraft ſich ſaͤtti¬<lb/> gen, damit andere zur Anmuth zuruͤckkehren konnten,<lb/> und die Hauptrichtung ihres Strebens ging auf Hoͤ¬<lb/> heres, um ſich vorzugsweiſe damit zu befaſſen. Die¬<lb/> ſer Anmuth wieder ihre Staͤtte zu bereiten, bedurfte<lb/> es eines eignen genialen Geiſtes, in dem ausſchlie߬<lb/> lich dieſe Tendenz ſich offenbarte.</p><lb/> <p>Wieland trat auf, der heitere, liebenswuͤrdige,<lb/> feine Wieland, ein in Anmuth, Leichtigkeit, Scherz<lb/> und Witz uͤberfließender, unerſchoͤpflicher Genius.<lb/> Man muß nothwendig die ganze ſteife, verrenkte, ma¬<lb/> nierliche, pathetiſche Zeit kennen, die ihm vorher¬<lb/> ging, um den freien Schwung dieſes Genius recht<lb/> wuͤrdigen zu koͤnnen, und um zugleich, was wir vom<lb/> hoͤhern Standpunkt der heutigen Zeit, zu dem er<lb/> uns auf ſeinen Achſeln ſelbſt gehoben hat, etwa an<lb/> ihm noch auszuſetzen haͤtten, billig zu entſchuldigen.</p><lb/> <p>Wieland gab der deutſchen Poeſie zuerſt wieder<lb/> die Unbefangenheit, den freien Blick des Weltkinds,<lb/> die natuͤrliche Grazie, das Beduͤrfniß und die Kraft<lb/> des heitern Scherzes. Keck, launig, imponirend,<lb/> ſchnitt er die Zoͤpfe der Philiſter herunter, entklei¬<lb/> dete die erroͤthende Schoͤnheit des fatalen Reifrocks,<lb/> und lehrte die Deutſchen, nicht ſo einſeitig, wie die<lb/> fruͤhern ſchaͤferlichen Dichter, nackt in der idealiſchen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [88/0098]
ſie die Haͤnde hin thun ſollte, und ſpielte albern mit
dem Faͤcher. Warfen maͤchtige Genien, wie Klop¬
ſtock und Leſſing, dieſen Plunder von ſich und ſchrit¬
ten aus der Menuett heraus, keck ihres eignen Gan¬
ges, ſo mußte doch in ihnen erſt die Kraft ſich ſaͤtti¬
gen, damit andere zur Anmuth zuruͤckkehren konnten,
und die Hauptrichtung ihres Strebens ging auf Hoͤ¬
heres, um ſich vorzugsweiſe damit zu befaſſen. Die¬
ſer Anmuth wieder ihre Staͤtte zu bereiten, bedurfte
es eines eignen genialen Geiſtes, in dem ausſchlie߬
lich dieſe Tendenz ſich offenbarte.
Wieland trat auf, der heitere, liebenswuͤrdige,
feine Wieland, ein in Anmuth, Leichtigkeit, Scherz
und Witz uͤberfließender, unerſchoͤpflicher Genius.
Man muß nothwendig die ganze ſteife, verrenkte, ma¬
nierliche, pathetiſche Zeit kennen, die ihm vorher¬
ging, um den freien Schwung dieſes Genius recht
wuͤrdigen zu koͤnnen, und um zugleich, was wir vom
hoͤhern Standpunkt der heutigen Zeit, zu dem er
uns auf ſeinen Achſeln ſelbſt gehoben hat, etwa an
ihm noch auszuſetzen haͤtten, billig zu entſchuldigen.
Wieland gab der deutſchen Poeſie zuerſt wieder
die Unbefangenheit, den freien Blick des Weltkinds,
die natuͤrliche Grazie, das Beduͤrfniß und die Kraft
des heitern Scherzes. Keck, launig, imponirend,
ſchnitt er die Zoͤpfe der Philiſter herunter, entklei¬
dete die erroͤthende Schoͤnheit des fatalen Reifrocks,
und lehrte die Deutſchen, nicht ſo einſeitig, wie die
fruͤhern ſchaͤferlichen Dichter, nackt in der idealiſchen
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