Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.Lange Jahre lag gebunden Ich in feuchter Kerkergruft -- Kettenschwere, dumpfe Stunden -- Endlich wieder Tag und Luft -- Ellid, schwarzer Ellid, spute Dich! Du witterst, wo ich blute! Heute endlich! Endlich heute! Wann der Kahle schwelgt am Mahl, Würgt er seine Siegesbeute Mit dem letzten müden Strahl ... Wann die Sonne niedergleitet, Wird mir Block und Beil bereitet. Henker, nimm das Beil zu Händen! Nicht das Beil? ... So nimm den Strang! Droßle mich! Nur enden, enden! Letzte Schmach! Sie währt nicht lang ... Ellid's kurzes Hufgestampfe Hör' ich nahn im Todeskampfe! Sterbend pack' ich Ellid's Haare,
Ein Befreiter spring' ich auf, Fahre, schwarzer Ellid, fahre! Nach der Heimat nimm den Lauf! Wogen tosen! Rhodan's Stimme! In den Strom, mein Thier, und schwimme!" Lange Jahre lag gebunden Ich in feuchter Kerkergruft — Kettenſchwere, dumpfe Stunden — Endlich wieder Tag und Luft — Ellid, ſchwarzer Ellid, ſpute Dich! Du witterſt, wo ich blute! Heute endlich! Endlich heute! Wann der Kahle ſchwelgt am Mahl, Würgt er ſeine Siegesbeute Mit dem letzten müden Strahl ... Wann die Sonne niedergleitet, Wird mir Block und Beil bereitet. Henker, nimm das Beil zu Händen! Nicht das Beil? ... So nimm den Strang! Droßle mich! Nur enden, enden! Letzte Schmach! Sie währt nicht lang ... Ellid's kurzes Hufgeſtampfe Hör' ich nahn im Todeskampfe! Sterbend pack' ich Ellid's Haare,
Ein Befreiter ſpring' ich auf, Fahre, ſchwarzer Ellid, fahre! Nach der Heimat nimm den Lauf! Wogen toſen! Rhodan's Stimme! In den Strom, mein Thier, und ſchwimme!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0222" n="208"/> <lg n="9"> <l>Lange Jahre lag gebunden</l><lb/> <l>Ich in feuchter Kerkergruft —</l><lb/> <l>Kettenſchwere, dumpfe Stunden —</l><lb/> <l>Endlich wieder Tag und Luft —</l><lb/> <l>Ellid, ſchwarzer Ellid, ſpute</l><lb/> <l>Dich! Du witterſt, wo ich blute!</l><lb/> </lg> <lg n="10"> <l>Heute endlich! Endlich heute!</l><lb/> <l>Wann der Kahle ſchwelgt am Mahl,</l><lb/> <l>Würgt er ſeine Siegesbeute</l><lb/> <l>Mit dem letzten müden Strahl ...</l><lb/> <l>Wann die Sonne niedergleitet,</l><lb/> <l>Wird mir Block und Beil bereitet.</l><lb/> </lg> <lg n="11"> <l>Henker, nimm das Beil zu Händen!</l><lb/> <l>Nicht das Beil? ... So nimm den Strang!</l><lb/> <l>Droßle mich! Nur enden, enden!</l><lb/> <l>Letzte Schmach! Sie währt nicht lang ...</l><lb/> <l>Ellid's kurzes Hufgeſtampfe</l><lb/> <l>Hör' ich nahn im Todeskampfe!</l><lb/> </lg> <lg n="12"> <l>Sterbend pack' ich Ellid's Haare,</l><lb/> <l>Ein Befreiter ſpring' ich auf,</l><lb/> <l>Fahre, ſchwarzer Ellid, fahre!</l><lb/> <l>Nach der Heimat nimm den Lauf!</l><lb/> <l>Wogen toſen! Rhodan's Stimme!</l><lb/> <l>In den Strom, mein Thier, und ſchwimme!“</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [208/0222]
Lange Jahre lag gebunden
Ich in feuchter Kerkergruft —
Kettenſchwere, dumpfe Stunden —
Endlich wieder Tag und Luft —
Ellid, ſchwarzer Ellid, ſpute
Dich! Du witterſt, wo ich blute!
Heute endlich! Endlich heute!
Wann der Kahle ſchwelgt am Mahl,
Würgt er ſeine Siegesbeute
Mit dem letzten müden Strahl ...
Wann die Sonne niedergleitet,
Wird mir Block und Beil bereitet.
Henker, nimm das Beil zu Händen!
Nicht das Beil? ... So nimm den Strang!
Droßle mich! Nur enden, enden!
Letzte Schmach! Sie währt nicht lang ...
Ellid's kurzes Hufgeſtampfe
Hör' ich nahn im Todeskampfe!
Sterbend pack' ich Ellid's Haare,
Ein Befreiter ſpring' ich auf,
Fahre, ſchwarzer Ellid, fahre!
Nach der Heimat nimm den Lauf!
Wogen toſen! Rhodan's Stimme!
In den Strom, mein Thier, und ſchwimme!“
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