Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Marmorknabe.
In der Capuletti Vigna graben
Gärtner, finden einen Marmorknaben,
Meister Simon holen sie herbei,
Der entscheide, welcher Gott es sei.
Wie den Fund man dem Gelehrten zeigte,
Der die graue Wimper forschend neigte,
Kniet' ein Kind daneben: Julia,
Die den Marmorknaben finden sah.
"Welches ist dein süßer Name, Knabe?
Steig' ans Tageslicht aus deinem Grabe!
Eine Fackel trägst du? Bist beschwingt?
Amor bist du, der die Herzen zwingt?"
Meister Simon, streng das Bild betrachtend,
Eines Kindes Worte nicht beachtend,
Spricht: "Er löscht die Fackel. Sie verloht.
Dieser schöne Jüngling ist der Tod."

Der Marmorknabe.
In der Capuletti Vigna graben
Gärtner, finden einen Marmorknaben,
Meiſter Simon holen ſie herbei,
Der entſcheide, welcher Gott es ſei.
Wie den Fund man dem Gelehrten zeigte,
Der die graue Wimper forſchend neigte,
Kniet' ein Kind daneben: Julia,
Die den Marmorknaben finden ſah.
„Welches iſt dein ſüßer Name, Knabe?
Steig' ans Tageslicht aus deinem Grabe!
Eine Fackel trägſt du? Biſt beſchwingt?
Amor biſt du, der die Herzen zwingt?“
Meiſter Simon, ſtreng das Bild betrachtend,
Eines Kindes Worte nicht beachtend,
Spricht: „Er löſcht die Fackel. Sie verloht.
Dieſer ſchöne Jüngling iſt der Tod.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0027" n="13"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Der Marmorknabe.<lb/></head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>In der Capuletti Vigna graben</l><lb/>
              <l>Gärtner, finden einen Marmorknaben,</l><lb/>
              <l>Mei&#x017F;ter Simon holen &#x017F;ie herbei,</l><lb/>
              <l>Der ent&#x017F;cheide, welcher Gott es &#x017F;ei.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Wie den Fund man dem Gelehrten zeigte,</l><lb/>
              <l>Der die graue Wimper for&#x017F;chend neigte,</l><lb/>
              <l>Kniet' ein Kind daneben: Julia,</l><lb/>
              <l>Die den Marmorknaben finden &#x017F;ah.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>&#x201E;Welches i&#x017F;t dein &#x017F;üßer Name, Knabe?</l><lb/>
              <l>Steig' ans Tageslicht aus deinem Grabe!</l><lb/>
              <l>Eine Fackel träg&#x017F;t du? Bi&#x017F;t be&#x017F;chwingt?</l><lb/>
              <l>Amor bi&#x017F;t du, der die Herzen zwingt?&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>Mei&#x017F;ter Simon, &#x017F;treng das Bild betrachtend,</l><lb/>
              <l>Eines Kindes Worte nicht beachtend,</l><lb/>
              <l>Spricht: &#x201E;Er lö&#x017F;cht die Fackel. Sie verloht.</l><lb/>
              <l>Die&#x017F;er &#x017F;chöne Jüngling i&#x017F;t der Tod.&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0027] Der Marmorknabe. In der Capuletti Vigna graben Gärtner, finden einen Marmorknaben, Meiſter Simon holen ſie herbei, Der entſcheide, welcher Gott es ſei. Wie den Fund man dem Gelehrten zeigte, Der die graue Wimper forſchend neigte, Kniet' ein Kind daneben: Julia, Die den Marmorknaben finden ſah. „Welches iſt dein ſüßer Name, Knabe? Steig' ans Tageslicht aus deinem Grabe! Eine Fackel trägſt du? Biſt beſchwingt? Amor biſt du, der die Herzen zwingt?“ Meiſter Simon, ſtreng das Bild betrachtend, Eines Kindes Worte nicht beachtend, Spricht: „Er löſcht die Fackel. Sie verloht. Dieſer ſchöne Jüngling iſt der Tod.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/27
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/27>, abgerufen am 03.12.2024.