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Meyer, Edmund: Alte Geschichte. Berlin, 1890 (= Leitfaden der Geschichte in Tabellenform, Bd. 1)

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Anmerkung 1. Monarchie, Aristokratie und Demokratie hat als
regelmässige Staatsverfassungen gleichfalls Aristoteles in seiner 'Politik' (3,7)
hingestellt, indem er Despotie, Oligarchie und Ochlokratie ihnen
als Ausschreitungen ([fremdsprachliches Material]) gegenüberstellt.

2. In der Gegenwart gilt als vernunftgemässeste Normalverfassung
die sogenannte 'konstitutionelle Monarchie', welche das Gute der drei
Grundverfassungen in der Weise verbinde, dass dem Könige eine ge-
wählte Volksvertretung (Abgeordnetenhaus. Deputiertenkammer und ähnliche),
sowie eine Vertretung des Adels oder der wohlhabenden Bevölke-
rungsklassen (Senat, Herrenhaus, Oberhaus) zur Seite stehe: beide Körper-
schaften zusammen werden oft als Parlament bezeichnet, zuweilen aber
auch nur die Volksvertretung. Die Grundzüge dieser auf dem sogenannten Re-
präsentativsystem
beruhenden Verfassung entwarf nach dem Vor-
bilde der englischen der Franzose Montesquieu (geb. bei Bordeaux
1689, + 1755) in seinem epochemachenden Werke 'Esprit des Lois' (1748).
-- Ihr Grundprincip ist die Trennung der sogenannten drei Gewalten, das heißt der
gesetzgebenden, ausführenden (exekutiven) und richterlichen,
wodurch am besten die persönliche und bürgerliche Freiheit des Einzelnen
gewährleistet werde.

3. In diesen Verfassungen gilt das Staatsoberhaupt als unverantwort-
lich: die Verantwortung tragen der Volksvertretung gegenüber die Mi-
nister
durch Gegenzeichnung aller Gesetze und Erlasse. Zum Zustande-
kommen eines Gesetzes ist die Übereinstimmung des Monarchen und des
Parlaments nötig. -- Von der Volksvertretung hängt vorzugsweise die
meist jährliche Bewilligung des Etats oder Budgets, das heißt der Einnahmen
und Ausgaben, ab.

Die gesamte Staatsverwaltung pflegt in den modernen Staaten in
verschiedene Zweige (Ressorts) eingeteilt zu werden, an deren Spitze
Minister stehen: Finanzen, Krieg, Justiz, innere und äussere
Angelegenheiten. Die Verwaltung des Inneren ist jedoch in grösseren
Staaten meist so umfangreich, dass einzelne Verwaltungsgebiete abge-
zweigt werden, so dass es neben dem Ministerium des Inneren (das heißt der
Polizei) noch solche für Kultus und Unterricht, Handel und Ge-
werbe
, Eisenbahnen, Post und Telegraphen, Landwirtschaft
und andere giebt.

4. Einnahmen bezieht der Staat vorzugsweise aus 1) den Steuern, die
entweder direkte (wie Einkommen-, Gebäude-, Miets- u. a. Steuern) oder
indirekte sind (wie die Eingangszölle); 2) aus Staatsgütern (Do-
mänen); 3) aus sogenannten Regalien, das heißt landesherrlichen Vorrechten auf
Ausübung gewisser Thätigkeiten, wie der Postbeförderung (Postregal),
der Münzprägung (Münzregal) und so weiter; 4) aus gewerblichen Unter-
nehmungen des Staats (z. B. Eisenbahnen).

Der konstitutionelle Fürst erhält in der sog. Civilliste eine Art
Gehalt.

5. Das Staatsgebiet zerfällt der leichteren Verwaltung wegen in
Unterabteilungen, die Provinzen, Ämter, Departements u. a. heissen;
meist unterliegen diese noch einer weiteren Teilung, wie z. B. die preussi-
schen Provinzen der in Kreise; die letzten Teile sind die Gemeinden,
die entweder Stadt- oder Landgemeinden sind, letztere auch weiter in
Dorf- und Gutsgemeinden zerfallend.

6. Mit der Einteilung des Staatsgebietes hängt meist die Or-
ganisation des Justizwesens zusammen. In der Regel werden von dem
Gericht, dessen Entscheidung für unrichtig gehalten wird, zwei Berufungen
(Appellationen) an ein höheres und ein höchstes Gericht gestattet.
Man unterscheidet danach Gerichte erster, zweiter und dritter Instanz,
letztere auch als Appellations- und Ober-Appellationsgerichte bezeichnet.
Preussen z. B. besass früher, der Einteilung des Staats entsprechend,
Kreisgerichte für die Kreise, Appellationsgerichte für jeden Re-
gierungsbezirk, und das Ober-Tribunal für den ganzen Staat.

Anmerkung 1. Monarchie, Aristokratie und Demokratie hat als
regelmäſsige Staatsverfassungen gleichfalls Aristoteles in seiner ‘Politik’ (3,7)
hingestellt, indem er Despotie, Oligarchie und Ochlokratie ihnen
als Ausschreitungen ([fremdsprachliches Material]) gegenüberstellt.

2. In der Gegenwart gilt als vernunftgemäſseste Normalverfassung
die sogenanntekonstitutionelle Monarchie’, welche das Gute der drei
Grundverfassungen in der Weise verbinde, daſs dem Könige eine ge-
wählte Volksvertretung (Abgeordnetenhaus. Deputiertenkammer und ähnliche),
sowie eine Vertretung des Adels oder der wohlhabenden Bevölke-
rungsklassen (Senat, Herrenhaus, Oberhaus) zur Seite stehe: beide Körper-
schaften zusammen werden oft als Parlament bezeichnet, zuweilen aber
auch nur die Volksvertretung. Die Grundzüge dieser auf dem sogenannten Re-
präsentativsystem
beruhenden Verfassung entwarf nach dem Vor-
bilde der englischen der Franzose Montesquieu (geb. bei Bordeaux
1689, † 1755) in seinem epochemachenden Werke ‘Esprit des Lois’ (1748).
— Ihr Grundprincip ist die Trennung der sogenannten drei Gewalten, das heißt der
gesetzgebenden, ausführenden (exekutiven) und richterlichen,
wodurch am besten die persönliche und bürgerliche Freiheit des Einzelnen
gewährleistet werde.

3. In diesen Verfassungen gilt das Staatsoberhaupt als unverantwort-
lich: die Verantwortung tragen der Volksvertretung gegenüber die Mi-
nister
durch Gegenzeichnung aller Gesetze und Erlasse. Zum Zustande-
kommen eines Gesetzes ist die Übereinstimmung des Monarchen und des
Parlaments nötig. — Von der Volksvertretung hängt vorzugsweise die
meist jährliche Bewilligung des Etats oder Budgets, das heißt der Einnahmen
und Ausgaben, ab.

Die gesamte Staatsverwaltung pflegt in den modernen Staaten in
verschiedene Zweige (Ressorts) eingeteilt zu werden, an deren Spitze
Minister stehen: Finanzen, Krieg, Justiz, innere und äuſsere
Angelegenheiten. Die Verwaltung des Inneren ist jedoch in gröſseren
Staaten meist so umfangreich, daſs einzelne Verwaltungsgebiete abge-
zweigt werden, so daſs es neben dem Ministerium des Inneren (das heißt der
Polizei) noch solche für Kultus und Unterricht, Handel und Ge-
werbe
, Eisenbahnen, Post und Telegraphen, Landwirtschaft
und andere giebt.

4. Einnahmen bezieht der Staat vorzugsweise aus 1) den Steuern, die
entweder direkte (wie Einkommen-, Gebäude-, Miets- u. a. Steuern) oder
indirekte sind (wie die Eingangszölle); 2) aus Staatsgütern (Do-
mänen); 3) aus sogenannten Regalien, das heißt landesherrlichen Vorrechten auf
Ausübung gewisser Thätigkeiten, wie der Postbeförderung (Postregal),
der Münzprägung (Münzregal) und so weiter; 4) aus gewerblichen Unter-
nehmungen des Staats (z. B. Eisenbahnen).

Der konstitutionelle Fürst erhält in der sog. Civilliste eine Art
Gehalt.

5. Das Staatsgebiet zerfällt der leichteren Verwaltung wegen in
Unterabteilungen, die Provinzen, Ämter, Departements u. a. heiſsen;
meist unterliegen diese noch einer weiteren Teilung, wie z. B. die preuſsi-
schen Provinzen der in Kreise; die letzten Teile sind die Gemeinden,
die entweder Stadt- oder Landgemeinden sind, letztere auch weiter in
Dorf- und Gutsgemeinden zerfallend.

6. Mit der Einteilung des Staatsgebietes hängt meist die Or-
ganisation des Justizwesens zusammen. In der Regel werden von dem
Gericht, dessen Entscheidung für unrichtig gehalten wird, zwei Berufungen
(Appellationen) an ein höheres und ein höchstes Gericht gestattet.
Man unterscheidet danach Gerichte erster, zweiter und dritter Instanz,
letztere auch als Appellations- und Ober-Appellationsgerichte bezeichnet.
Preuſsen z. B. besaſs früher, der Einteilung des Staats entsprechend,
Kreisgerichte für die Kreise, Appellationsgerichte für jeden Re-
gierungsbezirk, und das Ober-Tribunal für den ganzen Staat.

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[— 10 —/0020] Anm. 1. Monarchie, Aristokratie und Demokratie hat als regelmäſsige Staatsverfassungen gleichfalls Aristoteles in seiner ‘Politik’ (3,7) hingestellt, indem er Despotie, Oligarchie und Ochlokratie ihnen als Ausschreitungen (_ ) gegenüberstellt. 2. In der Gegenwart gilt als vernunftgemäſseste Normalverfassung die sog. ‘konstitutionelle Monarchie’, welche das Gute der drei Grundverfassungen in der Weise verbinde, daſs dem Könige eine ge- wählte Volksvertretung (Abgeordnetenhaus. Deputiertenkammer u. ä.), sowie eine Vertretung des Adels oder der wohlhabenden Bevölke- rungsklassen (Senat, Herrenhaus, Oberhaus) zur Seite stehe: beide Körper- schaften zusammen werden oft als Parlament bezeichnet, zuweilen aber auch nur die Volksvertretung. Die Grundzüge dieser auf dem sog. Re- präsentativsystem beruhenden Verfassung entwarf nach dem Vor- bilde der englischen der Franzose Montesquieu (geb. bei Bordeaux 1689, † 1755) in seinem epochemachenden Werke ‘Esprit des Lois’ (1748). — Ihr Grundprincip ist die Trennung der sog. drei Gewalten, d. h. der gesetzgebenden, ausführenden (exekutiven) und richterlichen, wodurch am besten die persönliche und bürgerliche Freiheit des Einzelnen gewährleistet werde. 3. In diesen Verfassungen gilt das Staatsoberhaupt als unverantwort- lich: die Verantwortung tragen der Volksvertretung gegenüber die Mi- nister durch Gegenzeichnung aller Gesetze und Erlasse. Zum Zustande- kommen eines Gesetzes ist die Übereinstimmung des Monarchen und des Parlaments nötig. — Von der Volksvertretung hängt vorzugsweise die meist jährliche Bewilligung des Etats oder Budgets, d.h. der Einnahmen und Ausgaben, ab. Die gesamte Staatsverwaltung pflegt in den modernen Staaten in verschiedene Zweige (Ressorts) eingeteilt zu werden, an deren Spitze Minister stehen: Finanzen, Krieg, Justiz, innere und äuſsere Angelegenheiten. Die Verwaltung des Inneren ist jedoch in gröſseren Staaten meist so umfangreich, daſs einzelne Verwaltungsgebiete abge- zweigt werden, so daſs es neben dem Ministerium des Inneren (d. h. der Polizei) noch solche für Kultus und Unterricht, Handel und Ge- werbe, Eisenbahnen, Post und Telegraphen, Landwirtschaft u. a. giebt. 4. Einnahmen bezieht der Staat vorzugsweise aus 1) den Steuern, die entweder direkte (wie Einkommen-, Gebäude-, Miets- u. a. Steuern) oder indirekte sind (wie die Eingangszölle); 2) aus Staatsgütern (Do- mänen); 3) aus sog. Regalien, d. h. landesherrlichen Vorrechten auf Ausübung gewisser Thätigkeiten, wie der Postbeförderung (Postregal), der Münzprägung (Münzregal) u. s. w.; 4) aus gewerblichen Unter- nehmungen des Staats (z. B. Eisenbahnen). Der konstitutionelle Fürst erhält in der sog. Civilliste eine Art Gehalt. 5. Das Staatsgebiet zerfällt der leichteren Verwaltung wegen in Unterabteilungen, die Provinzen, Ämter, Departements u. a. heiſsen; meist unterliegen diese noch einer weiteren Teilung, wie z. B. die preuſsi- schen Provinzen der in Kreise; die letzten Teile sind die Gemeinden, die entweder Stadt- oder Landgemeinden sind, letztere auch weiter in Dorf- und Gutsgemeinden zerfallend. 6. Mit der Einteilung des Staatsgebietes hängt meist die Or- ganisation des Justizwesens zusammen. In der Regel werden von dem Gericht, dessen Entscheidung für unrichtig gehalten wird, zwei Berufungen (Appellationen) an ein höheres und ein höchstes Gericht gestattet. Man unterscheidet danach Gerichte erster, zweiter und dritter Instanz, letztere auch als Appellations- und Ober-Appellationsgerichte bezeichnet. Preuſsen z. B. besaſs früher, der Einteilung des Staats entsprechend, Kreisgerichte für die Kreise, Appellationsgerichte für jeden Re- gierungsbezirk, und das Ober-Tribunal für den ganzen Staat.

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Zitationshilfe: Meyer, Edmund: Alte Geschichte. Berlin, 1890 (= Leitfaden der Geschichte in Tabellenform, Bd. 1), S. — 10 —. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_geschichte_1890/20>, abgerufen am 03.06.2024.