Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

"Ihr seid durch die Posaune der die Welt durch¬
fliegenden Fama davon unterrichtet," tönte es von der
Kanzel herab, "welch schreckliche Hekatombe der papistische
Fanatismus in einem uns verbündeten Lande gehäuft
hat, -- wie sechshundert unsrer protestantischen Brüder
ausgerottet wurden durch die Schärfe des Schwertes, --
wie die blutgeröthete Adda geschändete Leichen wälzte,
während die verstümmelten Reste anderer auf offenem
Felde liegen, dem krächzenden Gevögel ein scheußlicher
Fraß. -- Aber daß der Himmel sogar in allgemeiner
Vernichtung seine auserwählten Rüstzeuge zu bewahren
weiß, dafür gab er uns, Geliebteste, ein den innigsten
Dank erweckendes Zeugniß in der lebendig hier anwesen¬
den Person eines unsrer Herren Mitbürger, den er
durch das menschliche Medium von dessen Fürsichtigkeit
und Tapferkeit voraussichtlich zu höhern Zwecken mitten
aus diesem Verderben gerettet hat." . . .

Eine andere Folge war, daß Wasers Vorgesetzte
seit seiner Reise sich von ihm als einem tüchtigen und
in Bündnerdingen bewanderten jungen Manne die er¬
sprießlichsten Dienste versprachen. Man berücksichtigte
sein Urtheil, und vorzugsweise seiner gewandten Feder
ward der öffentliche Verkehr mit den bündnerischen Be¬
hörden und der geheime Briefwechsel mit den zürcherischen
Vertrauensmännern in diesem schicksalsvollen Lande zu¬

„Ihr ſeid durch die Poſaune der die Welt durch¬
fliegenden Fama davon unterrichtet,“ tönte es von der
Kanzel herab, „welch ſchreckliche Hekatombe der papiſtiſche
Fanatismus in einem uns verbündeten Lande gehäuft
hat, — wie ſechshundert unſrer proteſtantiſchen Brüder
ausgerottet wurden durch die Schärfe des Schwertes, —
wie die blutgeröthete Adda geſchändete Leichen wälzte,
während die verſtümmelten Reſte anderer auf offenem
Felde liegen, dem krächzenden Gevögel ein ſcheußlicher
Fraß. — Aber daß der Himmel ſogar in allgemeiner
Vernichtung ſeine auserwählten Rüſtzeuge zu bewahren
weiß, dafür gab er uns, Geliebteſte, ein den innigſten
Dank erweckendes Zeugniß in der lebendig hier anweſen¬
den Perſon eines unſrer Herren Mitbürger, den er
durch das menſchliche Medium von deſſen Fürſichtigkeit
und Tapferkeit vorausſichtlich zu höhern Zwecken mitten
aus dieſem Verderben gerettet hat.“ . . .

Eine andere Folge war, daß Waſers Vorgeſetzte
ſeit ſeiner Reiſe ſich von ihm als einem tüchtigen und
in Bündnerdingen bewanderten jungen Manne die er¬
ſprießlichſten Dienſte verſprachen. Man berückſichtigte
ſein Urtheil, und vorzugsweiſe ſeiner gewandten Feder
ward der öffentliche Verkehr mit den bündneriſchen Be¬
hörden und der geheime Briefwechſel mit den zürcheriſchen
Vertrauensmännern in dieſem ſchickſalsvollen Lande zu¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0116" n="106"/>
          <p>&#x201E;Ihr &#x017F;eid durch die Po&#x017F;aune der die Welt durch¬<lb/>
fliegenden Fama davon unterrichtet,&#x201C; tönte es von der<lb/>
Kanzel herab, &#x201E;welch &#x017F;chreckliche Hekatombe der papi&#x017F;ti&#x017F;che<lb/>
Fanatismus in einem uns verbündeten Lande gehäuft<lb/>
hat, &#x2014; wie &#x017F;echshundert un&#x017F;rer prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Brüder<lb/>
ausgerottet wurden durch die Schärfe des Schwertes, &#x2014;<lb/>
wie die blutgeröthete Adda ge&#x017F;chändete Leichen wälzte,<lb/>
während die ver&#x017F;tümmelten Re&#x017F;te anderer auf offenem<lb/>
Felde liegen, dem krächzenden Gevögel ein &#x017F;cheußlicher<lb/>
Fraß. &#x2014; Aber daß der Himmel &#x017F;ogar in allgemeiner<lb/>
Vernichtung &#x017F;eine auserwählten Rü&#x017F;tzeuge zu bewahren<lb/>
weiß, dafür gab er uns, Geliebte&#x017F;te, ein den innig&#x017F;ten<lb/>
Dank erweckendes Zeugniß in der lebendig hier anwe&#x017F;en¬<lb/>
den Per&#x017F;on eines un&#x017F;rer Herren Mitbürger, den er<lb/>
durch das men&#x017F;chliche Medium von de&#x017F;&#x017F;en Für&#x017F;ichtigkeit<lb/>
und Tapferkeit voraus&#x017F;ichtlich zu höhern Zwecken mitten<lb/>
aus die&#x017F;em Verderben gerettet hat.&#x201C; . . .</p><lb/>
          <p>Eine andere Folge war, daß Wa&#x017F;ers Vorge&#x017F;etzte<lb/>
&#x017F;eit &#x017F;einer Rei&#x017F;e &#x017F;ich von ihm als einem tüchtigen und<lb/>
in Bündnerdingen bewanderten jungen Manne die er¬<lb/>
&#x017F;prießlich&#x017F;ten Dien&#x017F;te ver&#x017F;prachen. Man berück&#x017F;ichtigte<lb/>
&#x017F;ein Urtheil, und vorzugswei&#x017F;e &#x017F;einer gewandten Feder<lb/>
ward der öffentliche Verkehr mit den bündneri&#x017F;chen Be¬<lb/>
hörden und der geheime Briefwech&#x017F;el mit den zürcheri&#x017F;chen<lb/>
Vertrauensmännern in die&#x017F;em &#x017F;chick&#x017F;alsvollen Lande zu¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0116] „Ihr ſeid durch die Poſaune der die Welt durch¬ fliegenden Fama davon unterrichtet,“ tönte es von der Kanzel herab, „welch ſchreckliche Hekatombe der papiſtiſche Fanatismus in einem uns verbündeten Lande gehäuft hat, — wie ſechshundert unſrer proteſtantiſchen Brüder ausgerottet wurden durch die Schärfe des Schwertes, — wie die blutgeröthete Adda geſchändete Leichen wälzte, während die verſtümmelten Reſte anderer auf offenem Felde liegen, dem krächzenden Gevögel ein ſcheußlicher Fraß. — Aber daß der Himmel ſogar in allgemeiner Vernichtung ſeine auserwählten Rüſtzeuge zu bewahren weiß, dafür gab er uns, Geliebteſte, ein den innigſten Dank erweckendes Zeugniß in der lebendig hier anweſen¬ den Perſon eines unſrer Herren Mitbürger, den er durch das menſchliche Medium von deſſen Fürſichtigkeit und Tapferkeit vorausſichtlich zu höhern Zwecken mitten aus dieſem Verderben gerettet hat.“ . . . Eine andere Folge war, daß Waſers Vorgeſetzte ſeit ſeiner Reiſe ſich von ihm als einem tüchtigen und in Bündnerdingen bewanderten jungen Manne die er¬ ſprießlichſten Dienſte verſprachen. Man berückſichtigte ſein Urtheil, und vorzugsweiſe ſeiner gewandten Feder ward der öffentliche Verkehr mit den bündneriſchen Be¬ hörden und der geheime Briefwechſel mit den zürcheriſchen Vertrauensmännern in dieſem ſchickſalsvollen Lande zu¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/116
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/116>, abgerufen am 04.12.2024.