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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Rohan, von Richelieu Vollmacht erhalten hat, eine
Heerfahrt nach Bünden zu rüsten. Nun kommt endlich
die Stunde, da mein Land der österreichisch-spanischen
Gewalt entwunden wird."

"Gut," sagte der Andere ihn spöttisch ansehend,
"der gallische Hahn also, Vater Fausch, soll sich für
euch mit dem österreichischen Adler zausen, daß die Federn
fliegen! Ihr traut ihm viel Großmuth zu, denn ihr
sitzt fest in den spanischen Krallen. In meiner Stellung
als Adjutant des Herzogs bin ich freilich weniger in
diese geheimen politischen Pläne eingeweiht als Ihr,
das von dem venetianischen Müssiggange inspirirte La¬
gunen- und Lügenorakel. Uebrigens" fuhr er, seine
Schärfe mäßigend, fort und blickte dem Bäcker in die
Augen, der in seinem Innersten beleidigt, sich mit ge¬
röthetem Angesicht vor ihn hingestellt hatte und nach
dem kräftigsten Ausdruck zur Abwehr solcher Mißachtung
rang, "übrigens ist heute nicht Politik sondern Kunst
bei uns im herzoglichen Palazzo an der Tagesordnung.
Eben war beim Frühstück von Tizian die Rede. Eine
mit unserer Herzogin befreundete Nobildonna behaup¬
tete, unsere kunstsinnige Dame habe bis heute eines
der edelsten Werke des Meisters übersehen, das sich hier
bei den Frari befinde. Es erwies sich, daß es bei der
Herzogin letztem Aufenthalte in Venedig aus irgend

Rohan, von Richelieu Vollmacht erhalten hat, eine
Heerfahrt nach Bünden zu rüſten. Nun kommt endlich
die Stunde, da mein Land der öſterreichiſch-ſpaniſchen
Gewalt entwunden wird.“

„Gut,“ ſagte der Andere ihn ſpöttiſch anſehend,
„der galliſche Hahn alſo, Vater Fauſch, ſoll ſich für
euch mit dem öſterreichiſchen Adler zauſen, daß die Federn
fliegen! Ihr traut ihm viel Großmuth zu, denn ihr
ſitzt feſt in den ſpaniſchen Krallen. In meiner Stellung
als Adjutant des Herzogs bin ich freilich weniger in
dieſe geheimen politiſchen Pläne eingeweiht als Ihr,
das von dem venetianiſchen Müſſiggange inſpirirte La¬
gunen- und Lügenorakel. Uebrigens“ fuhr er, ſeine
Schärfe mäßigend, fort und blickte dem Bäcker in die
Augen, der in ſeinem Innerſten beleidigt, ſich mit ge¬
röthetem Angeſicht vor ihn hingeſtellt hatte und nach
dem kräftigſten Ausdruck zur Abwehr ſolcher Mißachtung
rang, „übrigens iſt heute nicht Politik ſondern Kunſt
bei uns im herzoglichen Palazzo an der Tagesordnung.
Eben war beim Frühſtück von Tizian die Rede. Eine
mit unſerer Herzogin befreundete Nobildonna behaup¬
tete, unſere kunſtſinnige Dame habe bis heute eines
der edelſten Werke des Meiſters überſehen, das ſich hier
bei den Frari befinde. Es erwies ſich, daß es bei der
Herzogin letztem Aufenthalte in Venedig aus irgend

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[123/0133] Rohan, von Richelieu Vollmacht erhalten hat, eine Heerfahrt nach Bünden zu rüſten. Nun kommt endlich die Stunde, da mein Land der öſterreichiſch-ſpaniſchen Gewalt entwunden wird.“ „Gut,“ ſagte der Andere ihn ſpöttiſch anſehend, „der galliſche Hahn alſo, Vater Fauſch, ſoll ſich für euch mit dem öſterreichiſchen Adler zauſen, daß die Federn fliegen! Ihr traut ihm viel Großmuth zu, denn ihr ſitzt feſt in den ſpaniſchen Krallen. In meiner Stellung als Adjutant des Herzogs bin ich freilich weniger in dieſe geheimen politiſchen Pläne eingeweiht als Ihr, das von dem venetianiſchen Müſſiggange inſpirirte La¬ gunen- und Lügenorakel. Uebrigens“ fuhr er, ſeine Schärfe mäßigend, fort und blickte dem Bäcker in die Augen, der in ſeinem Innerſten beleidigt, ſich mit ge¬ röthetem Angeſicht vor ihn hingeſtellt hatte und nach dem kräftigſten Ausdruck zur Abwehr ſolcher Mißachtung rang, „übrigens iſt heute nicht Politik ſondern Kunſt bei uns im herzoglichen Palazzo an der Tagesordnung. Eben war beim Frühſtück von Tizian die Rede. Eine mit unſerer Herzogin befreundete Nobildonna behaup¬ tete, unſere kunſtſinnige Dame habe bis heute eines der edelſten Werke des Meiſters überſehen, das ſich hier bei den Frari befinde. Es erwies ſich, daß es bei der Herzogin letztem Aufenthalte in Venedig aus irgend

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/133>, abgerufen am 30.11.2024.