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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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ich mich zu Pferde und eilte nach Mestre zurück. Der
amtliche Bericht an den Provveditore kann nicht vor
Mittag in Venedig ankommen. Das kleine Geschäft,
das mich zu Dir führte, ist gleich beendigt, dann fahre
ich ohne Weiteres nach dem Palazzo des Herzogs am
Canal grande. Ich weiß nicht, ob ich dort gerade will¬
kommen sein werde; aber Schutz und Sicherheit als
seinem Gaste versagt mir der Herzog nicht."

"Keinen Schritt aus meiner Bude, Jürg!" eiferte
Meister Lorenz. "Der Herzog wird in wenigen Augen¬
blicken hier sein. Er will drüben bei den Frari den
Tizian besehen. Das hat mir eben sein Adjutant ge¬
sagt, der Wertmüller von Zürich, ein gebildeter Mensch,
ein feiner Kopf; aber noch grün, grün! Er spricht
häufig hier ein, um mit mir die öffentlichen Angelegen¬
heiten zu verhandeln und sich ein gesundes politisches
Urtheil zu bilden." -- Inzwischen hatte er leise die
Thür etwas geöffnet und sein großes Gesicht lauschend
an die Spalte gelegt. "Sieh, sieh," fuhr er fort,
"drüben setzen sich die Bettler schon in Bewegung und
bilden in rührenden Gruppen auf beiden Seiten Spalier.
Der Herzog ist im Anzuge.

Mit diesen Worten stieß er beide Flügel weit auf.
Der dunkle Steinrahmen der Thür umschloß ein Bild
voll Farbenglanz, Leben und Sonne.

ich mich zu Pferde und eilte nach Meſtre zurück. Der
amtliche Bericht an den Provveditore kann nicht vor
Mittag in Venedig ankommen. Das kleine Geſchäft,
das mich zu Dir führte, iſt gleich beendigt, dann fahre
ich ohne Weiteres nach dem Palazzo des Herzogs am
Canal grande. Ich weiß nicht, ob ich dort gerade will¬
kommen ſein werde; aber Schutz und Sicherheit als
ſeinem Gaſte verſagt mir der Herzog nicht.“

„Keinen Schritt aus meiner Bude, Jürg!“ eiferte
Meiſter Lorenz. „Der Herzog wird in wenigen Augen¬
blicken hier ſein. Er will drüben bei den Frari den
Tizian beſehen. Das hat mir eben ſein Adjutant ge¬
ſagt, der Wertmüller von Zürich, ein gebildeter Menſch,
ein feiner Kopf; aber noch grün, grün! Er ſpricht
häufig hier ein, um mit mir die öffentlichen Angelegen¬
heiten zu verhandeln und ſich ein geſundes politiſches
Urtheil zu bilden.“ — Inzwiſchen hatte er leiſe die
Thür etwas geöffnet und ſein großes Geſicht lauſchend
an die Spalte gelegt. „Sieh, ſieh,“ fuhr er fort,
„drüben ſetzen ſich die Bettler ſchon in Bewegung und
bilden in rührenden Gruppen auf beiden Seiten Spalier.
Der Herzog iſt im Anzuge.

Mit dieſen Worten ſtieß er beide Flügel weit auf.
Der dunkle Steinrahmen der Thür umſchloß ein Bild
voll Farbenglanz, Leben und Sonne.

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[135/0145] ich mich zu Pferde und eilte nach Meſtre zurück. Der amtliche Bericht an den Provveditore kann nicht vor Mittag in Venedig ankommen. Das kleine Geſchäft, das mich zu Dir führte, iſt gleich beendigt, dann fahre ich ohne Weiteres nach dem Palazzo des Herzogs am Canal grande. Ich weiß nicht, ob ich dort gerade will¬ kommen ſein werde; aber Schutz und Sicherheit als ſeinem Gaſte verſagt mir der Herzog nicht.“ „Keinen Schritt aus meiner Bude, Jürg!“ eiferte Meiſter Lorenz. „Der Herzog wird in wenigen Augen¬ blicken hier ſein. Er will drüben bei den Frari den Tizian beſehen. Das hat mir eben ſein Adjutant ge¬ ſagt, der Wertmüller von Zürich, ein gebildeter Menſch, ein feiner Kopf; aber noch grün, grün! Er ſpricht häufig hier ein, um mit mir die öffentlichen Angelegen¬ heiten zu verhandeln und ſich ein geſundes politiſches Urtheil zu bilden.“ — Inzwiſchen hatte er leiſe die Thür etwas geöffnet und ſein großes Geſicht lauſchend an die Spalte gelegt. „Sieh, ſieh,“ fuhr er fort, „drüben ſetzen ſich die Bettler ſchon in Bewegung und bilden in rührenden Gruppen auf beiden Seiten Spalier. Der Herzog iſt im Anzuge. Mit dieſen Worten ſtieß er beide Flügel weit auf. Der dunkle Steinrahmen der Thür umſchloß ein Bild voll Farbenglanz, Leben und Sonne.

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/145>, abgerufen am 28.11.2024.