wie ein kampflustiger Sperling seinen Raub, eine These gegen alle gewandten Angriffe seiner jugendlichen Ge¬ nossen zu verfechten.
Jenatsch hatte sich, die Pforte leer lassend, mit Fausch etwas in den Hintergrund des Gemaches ge¬ stellt, doch dergestalt, daß sein Auge den Platz beherrschte, und blickte über des Bäckers Schulter mit gespannter Aufmerksamkeit auf die Gruppe. Die Erscheinung des Herzogs fesselte seine ganze Seele. Dies war wieder das ihm unvergeßlich eingeprägte blasse Antlitz, in wel¬ ches er einmal vor langen Jahren am Comersee geschaut hatte. In diesem Augenblicke zeigte ihm der Herzog seine scharf gezeichneten Züge im Profil und der Aus¬ druck langgeübter Selbstbeherrschung und schmerzlicher Milde, der auf dem etwas gealterten geistvollen Ge¬ sichte unverkennbar vorherrschte, überwältigte seltsamer Weise den Bündner wie mit der Macht einer erwachenden alten Liebe. Dieser Mann, der ihn magnetisch anzog, der in der Stunde, die über sein Leben entschied, einen wunderbaren Einfluß auf ihn geübt, dieser edle Mensch, an den er sich immer noch in verborgener Weise ge¬ kettet fühlte, hier stand er vor ihm und erschien ihm, als der bestimmt sei, in das Loos seiner Heimat ent¬ scheidend einzugreifen. Rohan hielt wieder die Urne des Schicksals in den Händen.
wie ein kampfluſtiger Sperling ſeinen Raub, eine Theſe gegen alle gewandten Angriffe ſeiner jugendlichen Ge¬ noſſen zu verfechten.
Jenatſch hatte ſich, die Pforte leer laſſend, mit Fauſch etwas in den Hintergrund des Gemaches ge¬ ſtellt, doch dergeſtalt, daß ſein Auge den Platz beherrſchte, und blickte über des Bäckers Schulter mit geſpannter Aufmerkſamkeit auf die Gruppe. Die Erſcheinung des Herzogs feſſelte ſeine ganze Seele. Dies war wieder das ihm unvergeßlich eingeprägte blaſſe Antlitz, in wel¬ ches er einmal vor langen Jahren am Comerſee geſchaut hatte. In dieſem Augenblicke zeigte ihm der Herzog ſeine ſcharf gezeichneten Züge im Profil und der Aus¬ druck langgeübter Selbſtbeherrſchung und ſchmerzlicher Milde, der auf dem etwas gealterten geiſtvollen Ge¬ ſichte unverkennbar vorherrſchte, überwältigte ſeltſamer Weiſe den Bündner wie mit der Macht einer erwachenden alten Liebe. Dieſer Mann, der ihn magnetiſch anzog, der in der Stunde, die über ſein Leben entſchied, einen wunderbaren Einfluß auf ihn geübt, dieſer edle Menſch, an den er ſich immer noch in verborgener Weiſe ge¬ kettet fühlte, hier ſtand er vor ihm und erſchien ihm, als der beſtimmt ſei, in das Loos ſeiner Heimat ent¬ ſcheidend einzugreifen. Rohan hielt wieder die Urne des Schickſals in den Händen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0147"n="137"/>
wie ein kampfluſtiger Sperling ſeinen Raub, eine Theſe<lb/>
gegen alle gewandten Angriffe ſeiner jugendlichen Ge¬<lb/>
noſſen zu verfechten.</p><lb/><p>Jenatſch hatte ſich, die Pforte leer laſſend, mit<lb/>
Fauſch etwas in den Hintergrund des Gemaches ge¬<lb/>ſtellt, doch dergeſtalt, daß ſein Auge den Platz beherrſchte,<lb/>
und blickte über des Bäckers Schulter mit geſpannter<lb/>
Aufmerkſamkeit auf die Gruppe. Die Erſcheinung des<lb/>
Herzogs feſſelte ſeine ganze Seele. Dies war wieder<lb/>
das ihm unvergeßlich eingeprägte blaſſe Antlitz, in wel¬<lb/>
ches er einmal vor langen Jahren am Comerſee geſchaut<lb/>
hatte. In dieſem Augenblicke zeigte ihm der Herzog<lb/>ſeine ſcharf gezeichneten Züge im Profil und der Aus¬<lb/>
druck langgeübter Selbſtbeherrſchung und ſchmerzlicher<lb/>
Milde, der auf dem etwas gealterten geiſtvollen Ge¬<lb/>ſichte unverkennbar vorherrſchte, überwältigte ſeltſamer<lb/>
Weiſe den Bündner wie mit der Macht einer erwachenden<lb/>
alten Liebe. Dieſer Mann, der ihn magnetiſch anzog,<lb/>
der in der Stunde, die über ſein Leben entſchied, einen<lb/>
wunderbaren Einfluß auf ihn geübt, dieſer edle Menſch,<lb/>
an den er ſich immer noch in verborgener Weiſe ge¬<lb/>
kettet fühlte, hier ſtand er vor ihm und erſchien ihm,<lb/>
als der beſtimmt ſei, in das Loos ſeiner Heimat ent¬<lb/>ſcheidend einzugreifen. Rohan hielt wieder die Urne<lb/>
des Schickſals in den Händen.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[137/0147]
wie ein kampfluſtiger Sperling ſeinen Raub, eine Theſe
gegen alle gewandten Angriffe ſeiner jugendlichen Ge¬
noſſen zu verfechten.
Jenatſch hatte ſich, die Pforte leer laſſend, mit
Fauſch etwas in den Hintergrund des Gemaches ge¬
ſtellt, doch dergeſtalt, daß ſein Auge den Platz beherrſchte,
und blickte über des Bäckers Schulter mit geſpannter
Aufmerkſamkeit auf die Gruppe. Die Erſcheinung des
Herzogs feſſelte ſeine ganze Seele. Dies war wieder
das ihm unvergeßlich eingeprägte blaſſe Antlitz, in wel¬
ches er einmal vor langen Jahren am Comerſee geſchaut
hatte. In dieſem Augenblicke zeigte ihm der Herzog
ſeine ſcharf gezeichneten Züge im Profil und der Aus¬
druck langgeübter Selbſtbeherrſchung und ſchmerzlicher
Milde, der auf dem etwas gealterten geiſtvollen Ge¬
ſichte unverkennbar vorherrſchte, überwältigte ſeltſamer
Weiſe den Bündner wie mit der Macht einer erwachenden
alten Liebe. Dieſer Mann, der ihn magnetiſch anzog,
der in der Stunde, die über ſein Leben entſchied, einen
wunderbaren Einfluß auf ihn geübt, dieſer edle Menſch,
an den er ſich immer noch in verborgener Weiſe ge¬
kettet fühlte, hier ſtand er vor ihm und erſchien ihm,
als der beſtimmt ſei, in das Loos ſeiner Heimat ent¬
ſcheidend einzugreifen. Rohan hielt wieder die Urne
des Schickſals in den Händen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/147>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.