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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Schutzes bedürftig und, wahrlich, es ist Eurer hohen
Tugend würdig, ihr Schirmvogt zu werden. -- Sie
hat mir ihr volles Vertrauen geschenkt, und ihr schmer¬
zenreiches Loos ohne Rückhalt entschleiert. Dabei war
mir vergönnt -- ich kann es auch in ihrer Gegenwart
nicht verschweigen -- einen erhebenden Blick in die
Tragödie eines mit dem ehernen Schicksale kämpfenden,
antiken Charakters zu thun. Dieses edle Wesen trägt
nicht ohne Bedeutung den Namen Lucretia. Sie stammt
aus einem der besten Geschlechter jenes wilden Berg¬
landes, das Euch als seinem Retter entgegenharrt. Noch
war sie ein harmloses Kind, als ihr Vater, der einzige
Gegenstand ihrer Liebe, von grausamen Feinden nächt¬
lich gewürgt, und sie schutzlos und geächtet dem Elende
und der Bosheit dieser gottlosen Welt preisgegeben
wurde . . . . Aber ihr Herz blieb rein und ihre tapfere
Hand zerschnitt mit dem Dolche die Schlingen des
Lasters. Seid ihr hilfreich, theurer Herr! Alle dieser
geliebten Lucretia erzeigte Gnade seh' ich an, als hättet
Ihr sie mir erwiesen; denn ihr Unglück erfüllt meine
ganze Seele! --"

Hier brach die gerührte Fürbitterin von neuem in
Thränen aus und warf sich, das Antlitz mit den Hän¬
den bedeckend, in einen Lehnstuhl.

Während dieses Redestromes hatte der Herzog seine

Schutzes bedürftig und, wahrlich, es iſt Eurer hohen
Tugend würdig, ihr Schirmvogt zu werden. — Sie
hat mir ihr volles Vertrauen geſchenkt, und ihr ſchmer¬
zenreiches Loos ohne Rückhalt entſchleiert. Dabei war
mir vergönnt — ich kann es auch in ihrer Gegenwart
nicht verſchweigen — einen erhebenden Blick in die
Tragödie eines mit dem ehernen Schickſale kämpfenden,
antiken Charakters zu thun. Dieſes edle Weſen trägt
nicht ohne Bedeutung den Namen Lucretia. Sie ſtammt
aus einem der beſten Geſchlechter jenes wilden Berg¬
landes, das Euch als ſeinem Retter entgegenharrt. Noch
war ſie ein harmloſes Kind, als ihr Vater, der einzige
Gegenſtand ihrer Liebe, von grauſamen Feinden nächt¬
lich gewürgt, und ſie ſchutzlos und geächtet dem Elende
und der Bosheit dieſer gottloſen Welt preisgegeben
wurde . . . . Aber ihr Herz blieb rein und ihre tapfere
Hand zerſchnitt mit dem Dolche die Schlingen des
Laſters. Seid ihr hilfreich, theurer Herr! Alle dieſer
geliebten Lucretia erzeigte Gnade ſeh' ich an, als hättet
Ihr ſie mir erwieſen; denn ihr Unglück erfüllt meine
ganze Seele! —“

Hier brach die gerührte Fürbitterin von neuem in
Thränen aus und warf ſich, das Antlitz mit den Hän¬
den bedeckend, in einen Lehnſtuhl.

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[172/0182] Schutzes bedürftig und, wahrlich, es iſt Eurer hohen Tugend würdig, ihr Schirmvogt zu werden. — Sie hat mir ihr volles Vertrauen geſchenkt, und ihr ſchmer¬ zenreiches Loos ohne Rückhalt entſchleiert. Dabei war mir vergönnt — ich kann es auch in ihrer Gegenwart nicht verſchweigen — einen erhebenden Blick in die Tragödie eines mit dem ehernen Schickſale kämpfenden, antiken Charakters zu thun. Dieſes edle Weſen trägt nicht ohne Bedeutung den Namen Lucretia. Sie ſtammt aus einem der beſten Geſchlechter jenes wilden Berg¬ landes, das Euch als ſeinem Retter entgegenharrt. Noch war ſie ein harmloſes Kind, als ihr Vater, der einzige Gegenſtand ihrer Liebe, von grauſamen Feinden nächt¬ lich gewürgt, und ſie ſchutzlos und geächtet dem Elende und der Bosheit dieſer gottloſen Welt preisgegeben wurde . . . . Aber ihr Herz blieb rein und ihre tapfere Hand zerſchnitt mit dem Dolche die Schlingen des Laſters. Seid ihr hilfreich, theurer Herr! Alle dieſer geliebten Lucretia erzeigte Gnade ſeh' ich an, als hättet Ihr ſie mir erwieſen; denn ihr Unglück erfüllt meine ganze Seele! —“ Hier brach die gerührte Fürbitterin von neuem in Thränen aus und warf ſich, das Antlitz mit den Hän¬ den bedeckend, in einen Lehnſtuhl. Während dieſes Redeſtromes hatte der Herzog ſeine

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/182>, abgerufen am 25.11.2024.