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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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und durchdrungen von dem Gefühle, daß sie diese Offen¬
barung nicht für sich behalten dürfe. So war sie denn
gekommen das Gesicht Lucretia mitzutheilen und mit
ihr dessen Bedeutung zu besprechen.

Der Eindruck des Traumbildes auf das Fräulein
war indessen weniger erfreulich und überzeugend ge¬
wesen, als die Nonne gehofft, und sie hatte sich darauf
lange bemüht zu ergründen, welche Wurzeln der Welt¬
lust oder der Weltsorge das Fräulein immer noch draußen
zurückhielten, denn dieses sprach von dem Kloster, trotz
seines Wohlwollens für dasselbe, nur als von seiner
einstweiligen Herberge.

An irdischem Besitz schien Lucretias Herz nicht zu
hangen, noch weniger an irdischer Liebe; denn einige
bescheidene Klosterscherze, die sich Schwester Perpetua
einzig in der Absicht das Fräulein zu erforschen in
dieser Richtung erlaubte, wurden mit stolzem Lächeln
abgewiesen.

Noch eine Möglichkeit halte die Schwester beun¬
ruhigt: Lucretia wolle in der Welt bleiben, bis sie einen
würdigen Bluträcher finde, der nach altem Landesbrauche
den Tod ihres grausam erschlagenen Vaters mit dem¬
jenigen der Mörder sühne, oder sie trage am Ende selbst
blutige Gedanken mit sich herum, die sich mit dem
Frieden des Klosters nicht vertrügen.

und durchdrungen von dem Gefühle, daß ſie dieſe Offen¬
barung nicht für ſich behalten dürfe. So war ſie denn
gekommen das Geſicht Lucretia mitzutheilen und mit
ihr deſſen Bedeutung zu beſprechen.

Der Eindruck des Traumbildes auf das Fräulein
war indeſſen weniger erfreulich und überzeugend ge¬
weſen, als die Nonne gehofft, und ſie hatte ſich darauf
lange bemüht zu ergründen, welche Wurzeln der Welt¬
luſt oder der Weltſorge das Fräulein immer noch draußen
zurückhielten, denn dieſes ſprach von dem Kloſter, trotz
ſeines Wohlwollens für daſſelbe, nur als von ſeiner
einſtweiligen Herberge.

An irdiſchem Beſitz ſchien Lucretias Herz nicht zu
hangen, noch weniger an irdiſcher Liebe; denn einige
beſcheidene Kloſterſcherze, die ſich Schweſter Perpetua
einzig in der Abſicht das Fräulein zu erforſchen in
dieſer Richtung erlaubte, wurden mit ſtolzem Lächeln
abgewieſen.

Noch eine Möglichkeit halte die Schweſter beun¬
ruhigt: Lucretia wolle in der Welt bleiben, bis ſie einen
würdigen Bluträcher finde, der nach altem Landesbrauche
den Tod ihres grauſam erſchlagenen Vaters mit dem¬
jenigen der Mörder ſühne, oder ſie trage am Ende ſelbſt
blutige Gedanken mit ſich herum, die ſich mit dem
Frieden des Kloſters nicht vertrügen.

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[217/0227] und durchdrungen von dem Gefühle, daß ſie dieſe Offen¬ barung nicht für ſich behalten dürfe. So war ſie denn gekommen das Geſicht Lucretia mitzutheilen und mit ihr deſſen Bedeutung zu beſprechen. Der Eindruck des Traumbildes auf das Fräulein war indeſſen weniger erfreulich und überzeugend ge¬ weſen, als die Nonne gehofft, und ſie hatte ſich darauf lange bemüht zu ergründen, welche Wurzeln der Welt¬ luſt oder der Weltſorge das Fräulein immer noch draußen zurückhielten, denn dieſes ſprach von dem Kloſter, trotz ſeines Wohlwollens für daſſelbe, nur als von ſeiner einſtweiligen Herberge. An irdiſchem Beſitz ſchien Lucretias Herz nicht zu hangen, noch weniger an irdiſcher Liebe; denn einige beſcheidene Kloſterſcherze, die ſich Schweſter Perpetua einzig in der Abſicht das Fräulein zu erforſchen in dieſer Richtung erlaubte, wurden mit ſtolzem Lächeln abgewieſen. Noch eine Möglichkeit halte die Schweſter beun¬ ruhigt: Lucretia wolle in der Welt bleiben, bis ſie einen würdigen Bluträcher finde, der nach altem Landesbrauche den Tod ihres grauſam erſchlagenen Vaters mit dem¬ jenigen der Mörder ſühne, oder ſie trage am Ende ſelbſt blutige Gedanken mit ſich herum, die ſich mit dem Frieden des Kloſters nicht vertrügen.

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/227>, abgerufen am 27.11.2024.