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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Geist der Empörung gegen sein Schicksal. Mit einer
Blutthat, die dem Jünglinge als Vollstreckung eines ge¬
rechten Volksurtheils erschienen war und die der jetzt
Gereifte und Welterfahrne als eine unnütze Befleckung
seiner Hände verwünschte, hatte es ihn für immer ge¬
schieden von einem großen und hilfreichen Herzen, das
von jeher sein eigen war.

Dieser Geist der Auflehnung und Verzweiflung
reizte ihn jetzt, die als begehrenswerthes Weib neben
ihm stehende Lucretia um jeden Preis zu gewinnen und
wenn sie ihm verderblich werde -- denn er kannte sie --
triumphirend mit ihr unterzugehen.

Aber er erdrückte den Dämon. Stand er nicht
mitten in einem andern Kampfe, der den Einsatz des
ganzen Mannes forderte und alle seine Kräfte und
Leidenschaften in eine Anstrengung zusammenfaßte?
Auch war seine Natur von jenem Stahl, der aus den
Steinwänden der Unmöglichkeit immer wieder die hellen
Funken der Hoffnung herausschlägt. Er war gewohnt,
an nichts zu verzweifeln und nichts aufzugeben.

Konnte sich Lucretias Gemüth nicht wieder er¬
hellen? War es gänzlich unmöglich das Vergangene zu
sühnen durch Thaten von ungewöhnlicher Größe? Mußte
denn unabänderlich auf den liebsten Kampfpreis ver¬

Geiſt der Empörung gegen ſein Schickſal. Mit einer
Blutthat, die dem Jünglinge als Vollſtreckung eines ge¬
rechten Volksurtheils erſchienen war und die der jetzt
Gereifte und Welterfahrne als eine unnütze Befleckung
ſeiner Hände verwünſchte, hatte es ihn für immer ge¬
ſchieden von einem großen und hilfreichen Herzen, das
von jeher ſein eigen war.

Dieſer Geiſt der Auflehnung und Verzweiflung
reizte ihn jetzt, die als begehrenswerthes Weib neben
ihm ſtehende Lucretia um jeden Preis zu gewinnen und
wenn ſie ihm verderblich werde — denn er kannte ſie —
triumphirend mit ihr unterzugehen.

Aber er erdrückte den Dämon. Stand er nicht
mitten in einem andern Kampfe, der den Einſatz des
ganzen Mannes forderte und alle ſeine Kräfte und
Leidenſchaften in eine Anſtrengung zuſammenfaßte?
Auch war ſeine Natur von jenem Stahl, der aus den
Steinwänden der Unmöglichkeit immer wieder die hellen
Funken der Hoffnung herausſchlägt. Er war gewohnt,
an nichts zu verzweifeln und nichts aufzugeben.

Konnte ſich Lucretias Gemüth nicht wieder er¬
hellen? War es gänzlich unmöglich das Vergangene zu
ſühnen durch Thaten von ungewöhnlicher Größe? Mußte
denn unabänderlich auf den liebſten Kampfpreis ver¬

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[229/0239] Geiſt der Empörung gegen ſein Schickſal. Mit einer Blutthat, die dem Jünglinge als Vollſtreckung eines ge¬ rechten Volksurtheils erſchienen war und die der jetzt Gereifte und Welterfahrne als eine unnütze Befleckung ſeiner Hände verwünſchte, hatte es ihn für immer ge¬ ſchieden von einem großen und hilfreichen Herzen, das von jeher ſein eigen war. Dieſer Geiſt der Auflehnung und Verzweiflung reizte ihn jetzt, die als begehrenswerthes Weib neben ihm ſtehende Lucretia um jeden Preis zu gewinnen und wenn ſie ihm verderblich werde — denn er kannte ſie — triumphirend mit ihr unterzugehen. Aber er erdrückte den Dämon. Stand er nicht mitten in einem andern Kampfe, der den Einſatz des ganzen Mannes forderte und alle ſeine Kräfte und Leidenſchaften in eine Anſtrengung zuſammenfaßte? Auch war ſeine Natur von jenem Stahl, der aus den Steinwänden der Unmöglichkeit immer wieder die hellen Funken der Hoffnung herausſchlägt. Er war gewohnt, an nichts zu verzweifeln und nichts aufzugeben. Konnte ſich Lucretias Gemüth nicht wieder er¬ hellen? War es gänzlich unmöglich das Vergangene zu ſühnen durch Thaten von ungewöhnlicher Größe? Mußte denn unabänderlich auf den liebſten Kampfpreis ver¬

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/239>, abgerufen am 23.11.2024.